Sollen Sie mir glauben?

Und nun die alles entscheidende Frage: Sollen Sie mir glauben? Sollen Sie das Denkwerkzeug, das ich ihnen hier anbiete, für ihren eigenen Gebrauch übernehmen?

Wenden wir das bisher Gesagte einmal auf mich selbst an: Ich bin Experte, in dem Sinn, dass ich mich seit fast 50 Jahre intensiv mit der Frage auseinandergesetzt habe: „Wem soll ich/man was glauben?“. Also sollten Sie auf mich die Empfehlungen bezüglich Expertinnen und Experten anwenden.

Ihr Verwendungszweck: Dazu müssen Sie zuerst einmal klären, zu welchem Zweck Sie nach einem Denkwerkzeug suchen. Wenn Sie jetzt neben mir sitzen würden, könnte ich versuchen, Ihnen dabei zu helfen. Aber leider muss ich Sie bei dieser Aufgabe sich selbst überlassen. Ich kann Ihnen nur als Anregung ein paar Verwendungszwecke vorschlagen: Geht es Ihnen darum zu entscheiden, was Sie von dem glauben wollen, was Ihnen in den Medien (klassisch und/oder sozial) begegnet? Oder benötigen Sie einfach Stoff für Diskussionen in Kreisen, in denen man solche Fragen diskutiert? Oder möchten Sie während der Lektüre angenehm angeregt werden, ohne daraus aber irgendwelche Konsequenzen zu ziehen?

Nur wenn sich Ihr intendierter Verwendungszweck mit meinem deckt, bin ich ein brauchbarer Experte für Sie. Sie können zwar versuchen, das, was ich hier sage, auch für andere Zwecke zu benutzen, als die von mir intendierten. Aber dann kann ich keine Garantie dafür übernehmen, dass dies funktioniert.

Mein Verwendungszweck: Negativ formuliert: Ich habe das hier vorgestellte Denkwerkzeug nicht entwickelt, um in Diskussionen mit Philosophen (Erkenntnistheoretiker:innen, Wissenschaftstheoretiker:innen etc.) bestehen zu können und ich habe es auch nie so eingesetzt.

Das Ganze war immer als Werkzeug gedacht, um zu entscheiden, was ich ganz persönlich glauben soll. Als ich angefangen habe, mich systematisch mit der Frage auseinanderzusetzen, stand im Zentrum, was ich als Wissenschaftler/Forscher glauben soll, entweder wenn ich die Aussagen anderer Wissenschaftler:innen lese oder wenn ich selbst Untersuchungen anstelle. Später wurde mir dann klar, dass ich dasselbe Denkwerkzeug auch nutzen kann, um Inhalt in der Zeitung, am Radio oder im Internet zu beurteilen.

Einsatzerfahrung: Ich habe das hier vorgestellte Denkwerkzeug nicht nur aus verschiedenen Quellen und eigenen Überlegungen zusammengestellt, sondern im oben beschriebenen Sinn immer wieder eingesetzt. Als Wissenschaftler gehört es zu meinen Aufgaben und meinem Selbstverständnis, alles, was ich lese oder mit eigenen Augen sehe, kritisch zu prüfen.

Breite Erfahrung: Im Verlaufe von fast 50 Jahren ist einiges zusammengekommen.

  • Beruflich: In meinen aktivsten Zeiten habe ich pro Tag um die zweihundert Seiten an Fachbüchern und Artikeln verarbeitet und bewertet – und dies v.a. in den Bereichen Mathematik, Philosophie, Künstliche Intelligenz, Psychologie, Neurowissenschaften und Pädagogik.
  • Fachlich privat: Neben den erwähnten Themen habe ich privat auch noch Entwicklungen in Biologie, Verhaltensforschung und Astronomie verfolgt.
  • Familie: Als Vater zweier Kinder gab es einiges zu den Themen kindliche Entwicklung, Gesundheit und Erziehung zu verarbeiten. Fragen zur Gesundheit waren und sind natürlich auch für mich selbst relevant.
  • Politik: Da wir hier in der Schweiz pro Jahr über 10 oder mehr Vorlagen abstimmen, gab das reichlich Gelegenheit, sich mit den Argumenten von Befürwortern und Gegnern auseinander zu setzen.

Ich bin nicht sicher, ob diese Liste vollständig ist. Aber sie genügt wahrscheinlich, um zu belegen, dass meine Erfahrungen mit den hier vorgestellten Denkwerkzeugen eine gewisse Breite haben. Dass diese Erfahrungen positiv waren und ich somit der Meinung bin, dass das Werkzeug funktioniert, müssen sie mir leider einfach glauben.

Interessen entschlüsseln: Da ich den Verwendungszweck des Denkwerkzeugs explizit geschildert habe, müssen sie diesen nicht selbst herausfinden. Es stellt sich nur die Frage, ob ich damit nicht etwas verschleiere und heimlich ganz andere Interessen verfolge. Da hier Experten ziemlich positiv beurteilt werden, könnte es ja sein, dass ich von der Internationalen Vereinigung der Experten dafür bezahlt bin, für diese Werbung zu machen. Nun, meines Wissens gibt es eine solche Vereinigung nicht und ich kann hier auch beschwören, dass ich von niemandem dafür bezahlt oder auch nur ermuntert werde, das hier zu schreiben. Allerdings bin ich selbst Experte in verschiedenen Bereichen schulischen Lernens, und da hätte ich mir in meiner Karriere schon manchmal gewünscht, dass man mir mehr vertraut hätte. Sie müssen daher selbst entscheiden, ob Sie deshalb meiner Darstellung gegenüber misstrauisch sein sollten.

Mehrere Experten: Der kritischste Punkt, den Sie sich in der Beurteilung meiner Empfehlungen überlegen müssen, ist der, dass ich hier eine Minderheitsmeinung vertrete. Die allermeisten Experten, die sich mit der Frage „Was soll ich glauben?“ auseinandersetzen, verwenden als Kriterium „Wahrheit“: Glauben soll man, was wahr ist. Mein zentraler Vorschlag, dass man nicht nach Wahrheit, sondern nach der Nützlichkeit von Denkwerkzeugen fragen soll, wird zwar auch von anderen vertreten und als Pragmatismus bezeichnet, aber die Pragmatiker sind eine klare Minderheit. Ob ich Sie trotzdem mit der Darstellung der Funktionsweise meines pragmatischen Denkwerkzeugs überzeugen konnte, müssen Sie selbst entscheiden. Wenn Sie mir glauben, handeln Sie dabei allerdings gegen meine eigene Devise „Glaube der Mehrheit der Expert:innen“!

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