Grundthema dieser Website ist ja die Frage, wie man zu brauchbarem Wissen kommt. Bisher standen vor allem Lernprozesse im Vordergrund. Aber um etwas brauchbares Neues zu lernen, braucht es auch gute Inputs, gute Quellen. Ich möchte daher hier der Frage nachgehen, wie wir zu solchen Quellen kommen und wie wir sie beurteilen können.
Fake News, Verschwörungstheorien, Impfskepsis, Expertenstreit … Wie soll man sich orientieren? Wem soll man glauben, wenn man kritisch informiert mitdenken möchte? Das ist nicht so einfach, denn selbst die Wissenschaft, seriös betrieben, erhebt keinen Absolutheitsanspruch, sondern geht davon aus, dass man sich auch irren könnte.
Impfgegner
In der Pause eines Elternabends, beim Knabbern von Gebäck, kommen die Meiers und die Müllers ins Gespräch. Sie tauschen sich darüber aus, wie ihre Kinder aus Spielgruppen, Kindergarten, Schule immer wieder irgendwelche Krankheiten heimbringen – nichts Gefährliches, aber in ermüdender Regelmässigkeit. Ja, ja, die Immunsysteme der Kleinen müssen noch viel lernen, ist der Konsens. Dem fügt Papa Müller plötzlich heftig hinzu: „Aber auf jeden Fall lassen wir unser Kind nicht gegen Masern und Mumps impfen! Wir haben beide alle Kinderkrankheiten ohne Schaden durchgemacht. Das waren Erfahrungen, die wir unseren Kindern nicht vorenthalten wollen.“ Die Meiers sind da anderer Meinung. Sie werden ihre Kinder auf jeden Fall gegen alles Mögliche impfen lassen. Aber Papa Müller wirkt so entschlossen, dass sie darauf nichts erwidern mögen. Zudem ist die Pause um und alle kehren zu ihren Sitzen zurück.
Wie geht es Ihnen in solch einer Situation? Sofern Sie nicht schon derselben Meinung sind, lassen Sie sich dann von einer entschlossen vorgetragenen Aussage überzeugen? Oder bleiben Sie ihrer Überzeugung treu? Oder versuchen Sie gar die andere Person von Ihrer Meinung (Ihrem Wissen) zu überzeugen?
Bei der Frage, wie wir bspw. auf Impfgegner wie Müllers reagieren wollen, spielen drei grosse Themen eine Rolle:
- Toleranz: Gelegentlich kann man auch verschiedener Meinung sein, ohne dass die eine oder andere davon überlegen sein muss. Das kann ein Anlass für angeregte Diskussionen sein, aber kein Grund zum Streit. Wie ist das bei Meiers und Müllers? Wäre es wichtig, dass die eine Seite (welche?) insistiert, dass ihr Vorgehen das richtige ist: „Denn man weiss ja schliesslich, dass …“? Oder ist es okay, wenn sie das Gespräch nicht weiter verfolgen, mit der Haltung „Ihr macht das so, wir machen das so“.
- Verantwortung: Bleibt es nicht nur bei einer mehr oder weniger angeregten Diskussion, sondern geht es darum, Entscheidungen zu fällen, dann spielt es allerdings sehr wohl eine Rolle, welche Meinung zur Anwendung kommt und was das für die Betroffenen bedeutet. Wenn die Müllers ihre Kinder nicht gegen Masern impfen, dann besteht die Möglichkeit, dass ihre Kinder daran erkranken – was Müllers ja eigentlich möchten – und nicht jede Masernerkrankung verläuft harmlos.
- Vertrauen: Um sich eine Meinung zu bilden, ist man immer auf die Mithilfe anderer angewiesen, deren Hilfe mehr oder weniger nützlich ist und mehr oder weniger ehrlich gemeint sein kann. Wenn Meiers sich nach dem Gespräch trotzdem überlegen, ob das Impfen gegen Masern und Mumps eine gute Idee ist, dann brauchen sie weitere Informationen. Sollen sie einfach Müllers glauben? Oder wen sollen sie fragen? Und wem sollen sie glauben, wenn es widersprüchliche Meinungen gibt?
Anhand dieser drei Themen werde ich in unregelmässigen Abständen Überlegungen anstellen, die helfen können zu entscheiden, wem man was glauben will. Hier noch ein zweites Beispiel dazu, welche Fragen dabei zur Sprache kommen:
Wiedergeboren
Bei einem Familienfest sass ich mit einer Person am Tisch, mit der ich mich bisher noch nie unterhalten hatte. Ich weiss nicht mehr, wie das Gespräch darauf kam, aber an einem Punkte sagte die neue Bekannte: „Ich bin wiedergeboren.“ Es war ziemlich laut im Saal und da ich nicht sicher war, ob ich richtig gehört hatte, fragte ich zurück: „Du glaubst also, dass du schon einmal gelebt hast?“. Die Antwort darauf: „Ich glaube das nicht, ich weiss es.“ Viel gab es darauf dazu nicht mehr zu sagen.
Auch hier stellen sich dieselben Fragen: Soll ich das jetzt auch glauben? Oder weiss ich jetzt sogar, dass die neue Bekannte schon einmal gelebt hat? Und was ist der Unterschied zwischen wissen und glauben? Und wenn ich selbst glaube (weiss?), dass so etwas nicht möglich ist, soll ich dann meinen Gegenüber diese Idee ausreden? Wie könnte ich sie überzeugen?
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