Forschungsagenda …

7.3 Was davon lässt sich alles im Rahmen der obligatorischen Schulzeit tatsächlich erreichen?

Die Listen als Antworten auf die beiden vorangegangenen Fragen sind Wunschlisten. Aber wünschen kann man Vieles und es ist keineswegs sicher, ob sich das, was in solchen Listen (wie sie auch etwa die KMK Kompetenzen in Deutschland oder der Lehrplan 21 in der Schweiz darstellen) gefordert wird, im Rahmen der obligatorischen Schulzeit mit realen Lernenden und realen Lehrpersonen überhaupt erreichen lässt. Es gab in der Menschheitsgeschichte bisher noch keinen Zeitpunkt, in dem auch nur annähernd die gesamte erwachsene Bevölkerung Prozentrechnen oder Bruchrechnen oder Modellieren konnte. Das heisst: Empirische Belege dafür, dass solche Ziele flächendeckend erreichbar sind, fehlen.

Es ist zu erwarten, dass sich aus Untersuchungen in diesem Bereich zweierlei Einschränkungen dahingehend ergeben, wie weit die obligatorische Schule allfälligen Wünschen der Berufsbildung entgegenkommen kann:

  • Relativ: Mit der zur Verfügung stehenden Zeit und Ressourcen und in Konkurrenz zu anderen Zielen – Ziele des allgemeinbildenden Mathematikunterrichts, aber auch andere Ziele der obligatorischen Schule – lässt sich nicht alles erreichen, was wünschbar wäre. Es müssen Prioritäten gesetzt werden.
  • Absolut: Gewisse Ziele sind auch mit grösstem Aufwand mit real existierenden Lernenden nicht erreichbar, da das menschliche kognitive System seine Grenzen hat. Stellt sich bspw. heraus, dass ZMV nicht nach einem Modell vom Typ handlungsleitende Beziehung abläuft, dann ist es grundsätzlich nicht möglich, 90% der Lernenden so weit zu bringen, dass sie, wie von vielen Lehrpersonen gewünscht, „Prozente beherrschen“ und in der Berufsbildung unproblematisch auf neue Situationen anwenden können. Dies würde bedeuten, dass die Berufsbildung lernen müsste, konstruktiv mit solch absoluten Beschränkungen umzugehen.

FKF geht davon aus, dass die nun schon seit mehr als hundert Jahren anhaltende Klage darüber, dass die Lernenden beim Eintritt in die Berufsbildung „nicht mehr rechnen können“ (für einen historischen Rückblick siehe Lörcher 1985; neuere Untersuchungen bspw. Ivanov & Lehmann 2005, Eckstein 2016 und viele andere mehr), ein Indikator dafür ist, dass die handlungsleitende Beziehung als Modell versagt und dass die mit diesem Modell verbundenen Ziele nicht erreichbar sind (vgl. Wissensaufbau von den Füssen her). FKF arbeitet daher, wie bereits skizziert, auf der Basis situierter ZMV-Kompetenzen (vgl. Situierte Kompetenzen , Didaktisches Grundmodell und Horizontaler Transfer). Die Erfahrungen sind dabei bisher sehr positiv, d.h. die Lernenden scheinen weitgehend die dazu notwendigen Voraussetzungen mitzubringen (vgl. Eintrittstest und situiertes Lernen und Beispiele zu den Acht Schritten), d.h. es scheint möglich zu sein, im Rahmen der obligatorischen Schulzeit die Bedürfnisse der Berufsbildung weitgehend zu befriedigen.