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3 In welchem Verhältnis steht ZMV zu SM und HM?

Prinzipiell wäre denkbar, dass ZMV eine ganz andere Didaktik benötigt als bspw. eine SM-Didaktik oder gar eine HM-Didaktik. Ob oder wie weit dies der Fall ist, hängt davon ab, welche Beziehungen zwischen ZMV, SM und auch HM bestehen.

Eine Beziehung scheint mir unproblematisch zu sein. Fragt man jemanden: „Ändert sich die Anzahl Kinder in einer Klasse, wenn es anstatt 8 Mädchen und 13 Jungs umgekehrt 13 Mädchen und 8 Jungs sind?“, dann kann man sicher das HM-Konzept „Kommutativität“ für die Prognose nutzen, dass die Person mit hoher Wahrscheinlichkeit Nein sagen wird.

Unproblematisch ist diese Verwendung von HM-Konzepten zur Prognose von Verhalten allerdings nur, wenn man dies als eine analytische Beschreibung aus der Beobachterperspektive stehen lässt und nicht sofort darauf schließt, dass die Person zu dieser Antwort kommt, weil sie das Konzept der Kommutativität „anwendet“. Andernfalls könnte es sein, dass man derselben Verwechslung von Landkarte und Territorium unterliegt, wie wenn man folgert, dass Planeten Differentialgleichungen lösen, weil man ihre Bahn mit Hilfe von Differentialgleichungen voraussagen kann.

D.h. ob und in welcher Form jemand über HM-Konzepte und v.a. SM-Konzepte verfügen muss, um ZMV betreiben zu können, ist eine empirisch zu klärende Frage.

Unterschiedliche Klassen von Modellen des Zusammenspiels von ZMV und SM-Konzepten lassen sich unter anderem durch die von Dreyfus & Dreyfus (1987) getroffene Unterscheidung zwischen handlungsleitendem und reflexionsleitendem Einsatz von Konzepten gewinnen:

  • Handlungsleitend: Ein handlungsleitendes Modell des Zusammenspiels von ZMV und HM/SM-Konzepten nimmt an, dass beim ZMV die Resultate aus den entsprechenden mathematischen Konzepten abgeleitet, kalkuliert werden (Dreyfus & Dreyfus: calculative rationality). Die Reaktion „Es spielt keine Rolle“ im obigen Beispiel würde somit durch die Anwendung des Konzepts der Kommutativität zustande kommen.
  • Reflexionsleitend: Umgekehrt geht man bei der Annahme eines reflexionsleitenden Modells des Zusammenspiels davon aus, dass man beim ZMV auf Grund von Prozessen, bei denen HM/SM-Konzepte nicht direkt involviert sind, zum Resultat gelangt (bspw. mentale Simulation, Greeno 1991, Johnson-Laird 1981). Die Konzepte nutzt man dann allenfalls anschliessend, um zur Sicherheit dieses Resultat zu überprüfen (Dreyfus & Dreyfus: deliberative rationality; Schön (1983): reflection in action).

Weitere Modelle des Zusammenspiels sind denkbar (Wissen gebrauchen bzw. Kaiser 2005b) und sollten nicht von vorneherein aus der Diskussion ausgeschlossen werden.

FKF geht davon aus, dass das Zusammenspiel in der Regel nicht im engen Sinn handlungsleitend ist.