Entwicklung im Bildungssystem als Evolutionsprozess

6.3 Rekombination

Die Prämisse der Überlegungen hier ist, dass in den Köpfen der Lehrpersonen Rekombinationen dauernd stattfinden – zumindest so lange diese mit neuen Genen in Kontakt kommen, d.h. an Weiterbildungen und anderen Arten des Austauschs mit anderen Lehrpersonen, Dozierenden, Forschenden etc. teilnehmen.

Grundsätzlich gilt auch hier, dass sich nicht mit Sicherheit vorhersagen lässt, welche Rekombinationen zu brauchbaren Resultaten führen. Entsprechend wäre es nicht zweckmässig, Regeln für erlaubte und unerlaubte Rekombinationen aufzustellen. Eine Ausnahme könnten Regeln sein, welche verhindern können, dass „tödliche“ Kombinationen entstehen – Rekombinationen, die entweder die entsprechende Lehrperson lahmlegen oder die den Lernenden ganz offensichtlich schaden.

Die Erfahrung scheint allerdings zu zeigen, dass die Gefahr gering ist, dass sich Lehrpersonen selbst lahmlegen. Wie schon eingangs zitiert, „… stehen für Lehrkräfte bei der Innovation ihres Unterrichts das Streben nach eigener Handlungsfähigkeit im Unterricht und im Kollegium … im Vordergrund“. (Schulz 2010b, S. 784). Die Herausforderung besteht eher darin, Lehrpersonen zu ermuntern, neue Wege zu gehen, als sie davor zu bewahren, sich selbst handlungsunfähig zu machen.

Vorausschauend zu identifizieren, welche Kombinationen von Ideen im Kopf einer bestimmten Lehrperson zu einem Verhalten führen werden, welches den Lernenden offensichtlich schadet, dürfte unmöglich sein. Die Verbindung zwischen Ideen/Genen und tatsächlichem Handeln der Lehrperson sind dafür zu wenig deterministisch. Zudem ist das, was als „offensichtliche Schädigung“ gilt, kulturell und lokal ständig im Wandel begriffen. (Beispiele sind etwa die heute verschwundenen fünf Meter hohen Kletterstangen am Rande von Sportplätzen oder der Umgang mit Sexualität zwischen Erwachsenen und Kindern in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts). Hier kann nur eine Instanz Abhilfe schaffen, welche möglichst rasch eingreift, wenn eine Lehrperson schädigendes Verhalten zeigt.

Rekombinationen, von denen man erwartet, dass sie sich günstig auswirken, kann man zu fördern versuchen, indem man entsprechende Ideen und Konzepte ins System eingibt. Solche Konzepte wären bspw. Aussagen wie „Wenn schon Frontalunterricht, dann aber klar strukturiert!“ oder „Je mehr Handlungsorientierung umso besser!“. Ideen wie diese gehen aber auch nur als gleichberechtigte Gene in den Pool ein, werden dort wiederum mutiert und rekombiniert und bewähren sich dabei mehr oder weniger gut wie alle anderen Gene (vgl. dazu etwa die „Evolution der Evolutionsfähigkeit“ in Dawkins 1988 oder auch Minsky 1985).