Entwicklung im Bildungssystem als Evolutionsprozess

3 Zentrale Elemente eines Lernens durch Evolution

Um einen Lernprozess als Lernen durch Evolution beschreiben oder gestalten zu können, müssen die folgenden drei Elemente gegeben sein:

  • Gene: Die Eigenschaften der einzelnen Individuen müssen durch so etwas wie Gene festgelegt sein, welche verschieden kombiniert zu unterschiedlichen Eigenschaften führen. Idealerweise führt jede Rekombination von Genen zu einem „lebensfähigen“ Individuum, denn mit allzu vielen „Totgeburten“ entwickelt sich das Ganze nur langsam bzw. kommt der Prozess im Extremfall sogar zum Stillstand. Das Problem lässt sich illustrieren, indem man die obige Beschreibung der Genetischen Algorithmen (Zufällig wird ein Teil des einen Programms durch einen Teil des anderen Programms ersetzt) wörtlich nimmt. Stellt man sich ein Computerprogramm als Text vor und schneidet man daraus ein Stück heraus, beginnend an einer absolut beliebigen Stelle (also beispielsweise mit „ile“ mitten im Befehl „while“), dann sind die Chancen sehr klein, dass Nachkommen, welche dieses Stück erben, überhaupt lauffähige Programme sind. Irgendwie muss die Rekombination mit sinnvollen Elementen arbeiten. Versucht man allerdings von aussen festzulegen, welche Einheiten als sinnvoll gelten sollen, muss man sehr vorsichtig sein, dass man durch die Definition der möglichen Elemente keine vielversprechenden Entwicklungen ausschliesst.
  • Rekombinationsprozess: Es muss ein Prozess vorhanden sein, der Generation um Generation die Gene eines oder auch mehrerer Individuen neu so kombiniert, dass ein neues Individuum mit meist neuen Eigenschaften entsteht. Ein möglicher Prozess wurde schon mehrfach erwähnt: Aus der Gensequenz eines Individuums wird eine Teilsequenz ausgeschnitten und an einer anderen Stelle wieder eingefügt. Darüber hinaus ist es auch denkbar, dass einzelne Gene zufällig mutieren – was bei den Genetischen Algorithmen meist bedeutet, dass sie sich ins Gegenteil verkehren.
  • Bewertungskriterium: Schliesslich benötigt man ein Kriterium, an dem sich die Individuen bewähren können und das benutzt wird um festzulegen, mit wie grosser Wahrscheinlichkeit sie in der nächsten Generation Nachkommen haben werden. Beim Einsatz Genetischer Algorithmen ist die Festlegung dieses Kriteriums nicht immer ganz einfach. Da man typischerweise keine Ahnung hat, wie eine optimale Lösung aussehen wird, weiss man auch nicht, woran man sie erkennen würde. Sollte bspw. die erwähnte Funktion für den Wärmeaustausch alle bekannten Daten möglichst gut abbilden? Oder wäre es besser, sie würde die meisten Daten sehr gut abbilden, auch wenn man dafür an ein paar Stellen riesige Abweichungen in Kauf nehmen müsste, die separat zu behandeln wären? Bei der Darwinschen Evolution ist das Kriterium gegeben: Nachkommen, die möglichst viele Nachkommen haben. Dazu muss das Individuum aber nicht zwingend selbst Nachkommen haben. Das Ziel wird auch erreicht, wenn es nahe Verwandte mit praktisch denselben Genkombinationen dabei unterstützt, möglichst viele Nachkommen zu haben. Auf diesem Weg können Kooperation und hilfreiches Verhalten entstehen (Tomasello 2014).