Denkwerkzeuge für Unterrichtende

1    Jürgen Habermas: Erkenntnisinteresse

Ausgangspunkt für die folgenden Überlegungen ist Jürgen Habermas Buch Erkenntnis und Interesse (Habermas 1968). Habermas geht darin der Frage nach, wie wir zu gesichertem Wissen, gesicherten Erkenntnissen gelangen können und rollt zuerst einmal die Geschichte der Suche nach geeigneten Kriterien auf: Woran erkennen wir, dass etwas stimmt, dass etwas „wahr“ ist? Er kommt dabei zum Schluss, dass wir diese Frage nur beantworten können, wenn wir uns klarmachen, wozu wir das entsprechende Wissen gebrauchen möchten. Er arbeitet drei grundverschiedene Ziele (bei ihm: „Interessen“) heraus, die wir beim Gebrauch von Wissen haben können:

  • Technisches Interesse: Das Fenster steht offen, es wird langsam kalt. Was muss ich tun, damit es im Zimmer wieder wärmer wird?
  • Praktisches Interesse: Wir haben Gäste eingeladen. Ich möchte zusammen mit meiner Frau ein Vier-Gang-Menü zubereiten. Wie kann ich erreichen, dass wir Hand-in-Hand daran arbeiten können?
  • Emanzipatorisches Interesse: Die Lehrpersonen in meinem Kurs bringen Ãœberzeugungen mit, die sie daran hindern, auf die Bedürfnisse ihrer Lernenden einzugehen. Wie kann ich ihnen helfen, diese Ãœberzeugungen durch hilfreichere zu ersetzen?

Das Interessante an seiner Einteilung ist, dass je nach Art des Ziels, je nach Interesse, die nützlichen Denkwerkzeuge eine andere Form annehmen und die Erfolgskriterien anders aussehen. Beim technischen Interesse kreist unser Denken um Gegenstände bzw. Objekte. Wir messen ihre Eigenschaften und wir kennen Regeln in der Form: „Wenn es kalt ist und das Fenster offen ist, dann wird es wärmer, wenn ich das Fenster schliesse.“ Diese Regeln sind nützlich, wenn sie mir erlauben, die Temperatur zu erhöhen, wann immer ich möchte.

Beim praktischen Interesse hat sich hingegen über eine viele tausend Jahre alte Erfahrung die Haltung herausgebildet, dass man die Gegenüber, mit denen man zusammenarbeiten möchte, nicht als Objekte, sondern als Subjekte mit Ideen, Wünschen, Gefühlen etc. behandelt. Diese Ideen, Wünsche etc. kann man nicht messen, wie die Eigenschaften der Objekte; man muss sie erfragen, man muss mit dem Gegenüber darüber reden. Und man kann sich auch nicht Ziele setzen, wie beim technischen Interesse, denn wenn mehrere Personen zusammenarbeiten, entstehen gemeinsame Ziele erst in der Zusammenarbeit. Das Kriterium des Gelingens ist hier, ob eine befriedigende Kooperation zu Stande kommt.