Berufliche Berechnungssituationen beschreiben

pdf Das Ziel der Beschreibung der einzelnen beruflichen Berechnungssituation ist es, in kompakter Form all das zusammenzustellen, was es braucht, um die Situation und die daraus resultierenden Anforderungen zu verstehen. Im Idealfall sind diese Beschreibungen nützlich für Lehrpersonen und Lernende, für Lehrmittelautorinnen und Ausbildungsplaner, für Berufsberatende und Lehrpersonen in der Berufsvorbereitung, für …

Damit sie diese Funktion erfüllen können, hat es sich bewährt, eine Darstellungsform gemischt aus anschaulichen und fachlich präzisen Elementen zu wählen.

1 Die Situation als Geschichte

Anschaulich lässt sich die Situation am besten als kleine Geschichten beschreibt, so wie das Beispiel mit Amir und Beat:

Typische Situation

Amir und Beat sind dabei, den Garagenvorplatz an der 
Talstrasse 12 mit einem neuen Belag zu versehen. Sie 
vermessen zusammen grob den trapezförmigen Vorplatz 
und berechnen die Fläche. Der Belag soll 7 cm dick 
werden. 1 m2 Belag 1 cm dick ist 24 kg schwer. Pro m2 
werden also 168 kg benötigt. Sie ermitteln die gesamte 
benötige Menge Belag in Tonnen. Diese bestellen sie 
anschliessend per Handy beim Werk.

Geschichten dieser Art sind auch für fachfremde Personen verständlich, können also unter anderem Lernenden – die als Anfänger ja auch „fachfremd“ sind – einen ersten Einblick geben.

Interessanterweise eignen sich solche Geschichten aber auch sehr gut, um unter Fachleuten gemeinsam über die Situation zu diskutieren. Gegenüber abstrakteren Darstellungen haben sie den Vorteil, dass sie dazu anregen, sich die Situation ganz konkret vorzustellen und darüber nachzudenken, was in solchen Situationen wirklich geschieht – und nicht, was auf Grund irgendwelcher Theorien geschehen sollte (Situierte Kompetenzen, bzw. Kaiser, 2005). Die Erfahrung zeigt immer wieder, dass gerade erfahrene Fachleute bei der abstrakten Aussage „Man muss Volumen berechnen können“ einfach nicken und zur nächsten Situation übergehen. Werden sie aber gebeten, eine anschauliche Geschichte zu formulieren, sind sie innert kürzester Zeit mitten drin in Fragen wie „Wie rechnet ihr das auf der Baustelle wirklich?“, „Was muss/kann man am Ende der Grundausbildung erwarten?“, „Welche Genauigkeit braucht es beim Rechnen?“ etc.

Der Aufwand, zuerst einmal eine gute Geschichte zu schreiben, der alle Beteiligten zustimmen, lohnt sich daher auf jeden Fall. Gute Geschichten weisen folgende Merkmale auf:

  • Konkrete Personen als Handlungsträger: Nur schon indem man nicht einfach davon spricht „dass die Menge Belag berechnet wird“, sondern eine bestimmte Person, die auch einen Namen hat, die Aufgabe erledigen lässt, beginnt man sich damit auseinander zu setzen, welche Eigenschaften solche Personen typischerweise haben und was von ihnen typischerweise erwartet wird bzw. erwartet werden kann.
  • Konkrete Aufgaben und Orte: Dasselbe geschieht, wenn man nicht nur abstrakt „für eine bestimmte Fläche“ etwas berechnen lässt, sondern sich eine konkrete Aufgabe vorstellt.
  • Vollständige Handlung: Oft macht die Einbettung der eigentlichen Berechnung in einen vollständigeren Handlungsrahmen sichtbar, dass gewisse Rahmenbedingungen diese Berechnung beeinflussen: Woher kommt im Beispiel die Angabe für die Fläche des Vorplatzes? Wie genau ist sie bzw. muss sie sein? Welche Angaben braucht das Werk und wie genau?
  • Typische Schwierigkeiten: Die geschilderte Situation sollte die typischen Schwierigkeiten enthalten, die normalerweise auftreten – nicht übertreiben aber auch nicht untertreiben. Beispielsweise müssen Tiefbauarbeiter kaum je den Belag für 2km Autobahn bestellen. Dafür sind aber Vorplätze kaum je schön rechteckig.

2 Die Situation analysiert

Eine Geschichte stellt ein typisches Beispiel der zu beschreibenden Berechnungssituation dar. Damit lässt sich gut ein allgemeines Gefühl für die Situation vermitteln und auch „weiche“ Faktoren, wie etwa die erwartete Haltung der Handelnden, die sozialen Interaktionen etc. lassen sich so gut darstellen. Stellt man die Liste aller Situationen zusammen, indem man zu jeder Berechnungssituation eine Geschichte erarbeitet, hat man im Grunde genommen bereits eine gut Grundlage, mittels der acht Schritte Situation um Situation zu bearbeiten.

Ein einziges Beispiel kann aber auch missverstanden werden. Deshalb ist es oft sinnvoll der Geschichte eine komplementäre, analytische Beschreibung der Situation in Form von Eigenschaftslisten beizugeben. Gewisse „harte“ Aspekte können so auch präziser formuliert werden, als das in der Geschichte sinnvoll und möglich ist.

2.1 Der Situationskreis

Mit „Berechnungssituation“ ist ja nicht nur eine einzige Situation – Amir und Beat an der Talstrasse 12 – gemeint, sondern ein ganzer Haufen ähnlicher Situationen. Ist die Geschichte gut gewählt, dann liegt sie als typische Situation mitten drin in diesem Haufen und die anderen, mitgemeinten Situationen gruppieren sich darum herum, bilden einen mehr oder weniger grossen Kreis um diesen Mittelpunkt.

Wichtig ist nun zu wissen, wie gross dieser Kreis gedacht ist, d.h. welche ähnlichen Situationen mitgemeint sind und welche nicht mehr dazu gehören. Dies lässt sich mittels einer kleinen Liste von Eigenschaften umschreiben, die allen gemeinten Situationen gemeinsam sind. Etwa so:

Situationskreis
- Es muss für eine gegebene Fläche die notwendige Menge 
  Belagsmaterial berechnet und bestellt werden.
- Die Daten für die Fläche stammen entweder aus einem 
  Plan oder werden vor Ort ermittelt.
- Die Belagsdicke ist im Auftrag vorgegeben.
- Die Flächen sind nicht grösser als 200 m2.
- Die Flächen sind annähernd gradlinig oder durch 
  Kreissegmente begrenzt.

Wie man sieht, lassen sich mit Hilfe des Situationskreises auch verschiedene Angaben machen, die ausbildungsrelevant sind. Ist die gewünschte Belagsdicke immer im Auftrag gegeben, muss zumindest in Bezug auf diese Situation die Frage nicht vertieft behandelt werden, wie man eine geeignete Belagsdicke festlegt. Wenn auch Flächen vorkommen können, die durch Kreissegmente begrenzt sind, muss man sicherstellen, dass die Lernenden damit umgehen können. Etc.

2.2 Erwünschte Genauigkeit

In nichts zeigt sich der Mangel an mathematischer Bildung mehr als in einer übertrieben genauen Rechnung (Carl Friedrich Gauss, Mathematiker und u.a. Landvermesser)

Ein Qualitätsmerkmal professioneller Bewältigung von Berechnungssituationen ist die angepasst Genauigkeit, mit der Resultate ermittelt werden. Wie genau eine Berechnung sein muss, ist situationsabhängig und kann auch von konkreter Situation zu konkreter Situation derselben Art von Berechnungssituation schwanken. Oft ist es aber möglich, Angaben zu machen, die im Wesentlichen für alle gemeinten Situationen gelten. Nützliche Angaben sind hier, auf welche Einheiten genau gerechnet werden soll (beispielsweise ganze Lastwagenladungen beim Abtransport von Aushub), ob tendenziell eher auf oder abgerundet wird, ob eine Sicherheitsmarge einberechnet wird etc. Im Beispiel „Belag bestellen“ könnte das so aussehen:

Erwünschte Genauigkeit
- Die gewünschte Dicke des Belags kann beim Verarbeiten 
  nicht beliebig genau eingehalten werden. Mit
  Abweichungen ist also zu rechnen.
- Für grosse Flächen (längere Strassenstücke etc.) wird der 
  Bedarf möglichst präzise berechnet und bestellt. Zeigt 
  sich dann gegen Ende der Verarbeitung, dass zu wenig 
  Material bestellt wurde, wird rechtzeitig nachbestellt.
- Bei kleinen Flächen wird ca. 5% zugegeben, damit die
  Arbeit sicher nicht wegen Materialmangel stillsteht.

Auch diese Angaben sind ausbildungsrelevant. Der erste Punkt sollte im Unterricht thematisiert werden, um eben gerade dem „Mangel an mathematischer Bildung“ entgegenzuwirken, welcher Gauss im Zitat oben anspricht. Die beiden anderen Punkte sind relevant für die Erarbeitung realistischer Prüfungsaufgaben.

2.3 Mögliche Stolpersteine

Erfahrene Praktiker wissen, welche Aspekte einer Berechnung besonders fehleranfällig sind, wo es sich also lohnt, genauer hinzuschauen und allenfalls eine Berechnung zur Sicherheit zu wiederholen. Ebenso wissen erfahrene Lehrpersonen, welche Stolpersteine im Lernprozess auf dem Weg zur Beherrschung der Situation häufig auftreten. Beide Angaben sind für die Bearbeitung der Situation im Unterricht wichtig und nützlich. In Beispielfall ist die Liste eher kurz (aber vielleicht nicht vollständig):

Stolpersteine
- Komplexe Flächen – v.a. nicht rechtwinklig und mit 
  Rundungen

2.4 Ressourcen

Jede Situation stellt verschiedenste Anforderungen, die nur zum Teil mathematischer Natur sind.

Nimmt man beispielsweise die Situation Rezeptangaben umrechnen, dann ist klar, dass man unter anderem das Rezept überhaupt einmal lesen können muss. Man muss mit Fachbegriffen wie „Vollei“ oder „Timbales-Förmchen“ vertraut sein. Man muss Angaben wie „eine Prise“ einordnen können oder wissen, wie das zu interpretieren ist, wenn einfach nur „Zitronensaft“ ohne eine Mengenangabe steht (die Welt der Dinge bzw. Kaiser, 2009).

Damit verknüpft benötigt man gewisse mathematische Konzepte, welche helfen, die auftretenden Zahlen und Werte zueinander in Beziehung zu setzen (die Welt der Konzepte). Bei Rezeptangaben umrechnen ist dies vor allem das Konzept der Proportionalität: Wenn sich die Menge der einen Zutat verdoppelt, dann verdoppelt sich auch die Menge der anderen Zutat; wenn sich die Menge der einen Zutat halbiert, dann halbiert sich auch die Menge der anderen Zutat.

Diese Konzepte müssen unter anderem darum gut mit der Welt der Dinge verknüpft sein, da es auch immer wieder Ausnahmefälle gibt.

Und als drittes werden konkrete Rechentechniken benötigt, mit deren Hilfe sich die gegeben Grössen tatsächlich umwandeln lassen (die Welt der Techniken). Traditionell denkt man im Zusammenhang von Rezeptangaben umrechnen an den Dreisatz. Für den praktischen Einsatz sind aber eher Techniken wie Verdoppeln, Halbieren oder tabellarische Zusammenstellungen bedeutsam.

Um diesen Anforderungen zu genügen, müssen die Lernenden über verschiedene Ressourcen verfügen bzw. diese erwerben. Auch wenn man nur vermuten kann, was jemand genau wissen und können muss, um die Berechnungssituation professionelle bewältigen zu können, ist es doch sinnvoll, diese im Zusammenhang mit der Beschreibung der Situation aufzulisten. Einerseits ergeben sich daraus Hinweise darauf, welche Themen man im Unterricht anzusprechen könnte. Andererseits kann die Liste der Ressourcen ähnlich wie der Situationskreis dazu beitragen, die Situation genauer zu fassen.

Es gibt viele Möglichkeiten, diese Ressourcen zu gliedern. Eine mögliche ist die Einteilung in:

  • Kenntnisse: Dinge, die nützlich zu wissen sind.
  • Fertigkeiten: Dinge, die nützlich zu können sind.
  • Haltungen: Einstellungen, die förderlich sind.
  • Externe Ressourcen: Werkzeuge, die zu beherrschen nützlich ist.

Im Beispiel könnte das wie unten aussehen. In diese Zusammenstellung sind nur Ressourcen aufgenommen, die im engeren Sinn mit Rechnen/Mathematik zu tun haben. Wie oben beschreiben, können typischerweise zur Bewältigung der Situation noch viele anderen Ressourcen von Bedeutung sein – hier etwa die Fertigkeit, eine Telefongespräch zu führen, um die benötigte Menge zu bestellen. Es wäre denkbar, anders als hier im Beispiel, auch diese aufzuführen.

Kenntnisse (nützlich zu wissen)
  - Gewicht von Belägen: 1m2 Belag 1cm dick 
    wiegt 24kg
  - Zugabe bei Kleinmengen: 5%
  - Typische Fahrzeit zum/vom Werk: 15 min für 10 km
  - Kreisfläche
  - Komplexe Flächen: Lassen sich oft in Rechtecke, 
    rechtwinklige Dreiecke und Kreissegmente zerlegen

Fertigkeiten (nützlich zu können)
  - Transport- und Zeitplanung
  - Flächenberechnung (Rechteck, Dreieck, Kreis)
  - Komplexe Flächen aus Dreiecken und Kreissegmenten 
    zusammensetzen
  - Pläne lesen / interpretieren
  - Masse aus Plänen herausmessen
  - Handskizzen machen
  - Strukturiert arbeiten

Haltungen (Einstellungen, die förderlich sind)
  - Effizient arbeiten!
  - Ausschuss vermeiden!

Externe Ressourcen (nützlich, sie zu beherrschen)
  - Taschenrechner
  - Formelsammlung für Flächenberechnung)

Die Punkte „Komplexe Flächen lassen sich oft … zerlegen“, „Kreisfläche“ „Flächenberechnungen“ und „Komplexe Flächen zusammensetzen“ bilden einen zentralen, rechnerischen Schritt ab. Andere Ressourcen wie „Masse aus Plänen herauslesen“, „Handskizzen machen“ sind Fertigkeiten, welche aber genauso wichtig sind, damit die Situation gezielt bearbeitet werden kann. Und „Transportplanung“ sowie „Fahrzeit zum/vom Werk …“ bringen einen neuen Aspekt ins Spiel, der in der bisherigen Beschreibung noch nicht wirklich sichtbar war: Um „effizient arbeiten“ zu können, müssen Amir und Beat sich auch Gedanken darüber machen, wann sie bestellen wollen, wie lange es eventuell zwischen zwei Wagenladungen dauert, wenn mehrere benötigt werden und nur ein Fahrzeug zur Verfügung steht etc.

3 Eine kompakte Darstellung

Die Darstellung der Berechnungssituationen, wie sie bisher vorgestellt wurde, folgt im Wesentlichen dem für das Modell der Situierten Kompetenzen (vgl. Kaiser, 2005) entwickelten Format. Die Rubriken Erwünschte Genauigkeit und Mögliche Stolpersteine wurden hinzugefügt, um wichtige Merkmale von Berechnungssituationen besser abbilden zu können. Insgesamt umfasst die Darstellung jeder Situation folgende Punkte:

  • Typische Situation (als Geschichte)
  • Situationskreis
  • Mögliche Stolpersteine
  • Erwünschte Genauigkeit
  • Kenntnisse
  • Fertigkeiten
  • Haltungen
  • externe Ressourcen

Zusammengefasst könnte das dann wie folgt aussehen. (Weitere Beispiele finden sich beim Tiefbauprojekt.)


Belag bestellen


Typische Situation
Amir und Beat sind dabei, den Garagenvorplatz an der Talstrasse 12 mit einem neuen Belag zu versehen. Sie vermessen zusammen grob den trapezförmigen Vorplatz und berechnen die Fläche. Der Belag soll 7 cm dick werden. 1m2 Belag 1cm dick ist 24kg schwer. Pro m2 werden also 168kg benötigt. Sie ermitteln die gesamte benötige Menge Belag in Tonnen. Diese bestellen sie anschliessend per Handy beim Werk.


Situationskreis

  • Es muss für eine gegebene Fläche die notwendige Menge Belagsmaterial berechnet und bestellt werden.
  • Die Daten für die Fläche stammen entweder aus einem Plan oder werden vor Ort ermittelt.
  • Die Belagsdicke ist im Auftrag vorgegeben.
  • Die Flächen sind nicht grösser als 200 m2.
  • Die Flächen sind annähernd gradlinig oder durch Kreissegmente begrenzt.

Erwünschte Genauigkeit

  • Die gewünschte Dicke des Belags kann beim Verarbeiten nicht beliebig genau eingehalten werden. Mit Abweichungen ist also zu rechnen.
  • Für grosse Flächen (längere Strassenstücke etc.) wir der Bedarf möglichst präzise berechnet und bestellt. Zeigt sich dann gegen Ende der Verarbeitung, dass zu wenig Material bestellt wurde, wird rechtzeitig nachbestellt.
  • Bei kleinen Flächen wird ca. 5% zugegeben, damit die Arbeit sicher nicht wegen Materialmangel stillsteht.

Mögliche Stolpersteine

  • Komplexe Flächen – v.a. nicht rechtwinklig und mit Rundungen

Kenntnisse

  • Gewicht von Belägen: 1m2 Belag 1cm dick wiegt 24kg
  • Zugabe bei Kleinmengen: 5%
  • Typische Fahrzeit zum/vom Werk: 15 min für 10 km
  • Kreisfläche
  • Komplexe Flächen: Lassen sich oft in Rechtecke, rechtwinklige Dreiecke und Kreissegmente zerlegen

Fertigkeiten

  • Transport- und Zeitplanung
  • Flächenberechnung (Rechteck, Dreieck, Kreis)
  • Komplexe Flächen aus Dreiecken und Kreissegmenten zusammensetzen
  • Pläne lesen / interpretieren
  • Masse aus Plänen herausmessen
  • Handskizzen machen
  • Strukturiert arbeiten

Haltungen

  • Effizient arbeiten!
  • Ausschuss vermeiden!

Externe Ressourcen

  • Taschenrechner
  • (Formelsammlung für Flächenberechnung)

4 Die Aufgaben eines externen Begleiters

Prinzipiell kann die Arbeit an den Situationsbeschreibungen von erfahrenen Fachpersonen des jeweiligen Berufes ohne Einbezug weiterer Personen durchgeführt werden. Es hat aber Vorteile, wenn sie dabei von einer Person begleitet werden, die nicht selbst vom Fach ist. Ihr fällt die wichtige Aufgabe zu, die entstehenden Situationen kritisch zu hinterfragen.

Eine solche Begleitung sollte einmal sicherstellen, dass bei jeder Situationsbeschreibung jede einzelne Rubrik mit gleicher Sorgfalt bearbeitet wird. Je nach Berufsgruppe liegen den involvierten Fachpersonen einzelne Abschnitte näher und machen andere Abschnitte mehr Mühe. Die Erfahrung zeigt, dass beispielsweise Fachpersonen aus den Berufsfeldern Pflege/Betreuung gerne intensiv über die typische Situation als Geschichte und die erwünschten Haltungen diskutieren und dass sie die Tendenz haben, die anderen Punkte etwas zu vernachlässigen. Bei Fachpersonen aus dem technischen Bereich ist dies eher umgekehrt. Die Aufgabe einer Begleitperson besteht darin, hier Ausgewogenheit einzufordern.

Zum zweiten ist es wichtig, dass die Begleitperson immer wieder kritisch nachfragt, ob denn in der jeweiligen Situation im beruflichen Alltag tatsächlich so vorgegangen wird, wie beschrieben. Typischerweise sind Berechnungsabläufe im Alltag so direkt mit dem gesamten Handlungsablauf verwoben, dass es gar nicht so einfach ist, aus Erinnerungen die notwendigen Details herauszufiltern. Viele Fachpersonen antworten deshalb auf eine entsprechende Frage auch spontan, dass sie im Berufsalltag nicht rechnen oder Mathematik betreiben. Auch selbstkritische Fachpersonen haben deshalb die Tendenz, zumindest anfänglich nicht zu beschreiben, wie tatsächlich gearbeitet wird, sondern die Darstellung aus typischen Lehrmitteln zu übernehmen. Die Aufgabe der Begleitperson ist es, hier so lange hartnäckig nachzufragen, bis aus den Erinnerungen der Beteiligten die wirklich relevanten Details auftauchen.

5 Erwähnte Literatur

Kaiser, H. (2005) Wirksame Ausbildungen entwerfen – das Modell der Konkreten Kompetenzen. Bern: h.e.p. Verlag.

Kaiser, H. (2009). Modelle bauen und begreifen. Mehr als blindes Rechnen bei angewandten Aufgaben. In L. Hefendehl-Hebeker, T. Leuders & H.-G. Weigand (Eds.), Mathemagische Momente (pp. 74-85). Berlin: Cornelsen.