Stützkurse

Zusammen mit Katy Rhiner pdf

1 Grundsätzliches

„Weil das Bedingungsgeflecht für Lernschwierigkeiten und Lernhemmnisse individuell ausgeprägt ist, müssen auch die Fördermassnahmen individuell angepasst werden. … Ziel aller Massnahmen ist es, die Voraussetzungen für gelingendes Lernen zu verbessern.“ (Grassi, Rhiner, Kammermann & Balzer, 2014, S. 121)

Wie Grassi, Rhiner, Kammermann & Balzer betonen, sind die möglichen Ursachen von Lernschwierigkeiten vielfältiger Natur. Denkbar sind beispielsweise:

  • negative Erfahrungen im Verlaufe der bisherigen Schulkarriere (gerade im Bereich Rechnen/Mathematik) und daher verlorener Glaube an die eigne Lernfähigkeit
  • ungünstige Lernstrategien und daher inneffizientes Lernen
  • eine aktuelle Krise und daher keine Ressourcen für schulisches Lernen
  • eine schlechte Passung zwischen dem Lehrstil der Regellehrperson und dem individuellen Lernstil eines Lernenden/einer Lernenden
  • ungünstige Fehlvorstellungen zu zentralen Konzepten
  • gelegentlich auch einmal eine Wissenslücke

Da die Ursachen von Lernschwierigkeiten so vielfältig sind, ist eine differenzierte Diagnose im Regelunterricht nicht möglich. U.a. fehlt dazu einfach die Zeit, sogar bei Regellehrpersonen, welche genügend ausgebildet sind, um diagnostisch die ganze Breite abzudecken (zum Thema Eintrittstests vgl. dort). Die einzige Diagnose, welche unter den organisatorischen Gegebenheiten des Regelunterrichts verlässlich erfolgen kann, ist die Feststellung durch die Lehrperson: „Diese Lernende/dieser Lernende kann meinem Unterricht folgen, bzw. kann meinem Unterricht nicht folgen.“

Daraus lässt sich ableiten, dass Stützkurse zu einem vorgegebenen Thema („Bruchrechnen“, „Prozentrechnen“ etc.) nicht sinnvoll sind. Einerseits ist es nicht möglich, für all die vielen denkbaren Ursachen von Lernschwierigkeiten je separate, vordefinierte Gefässe anzubieten. Und andererseits ist eine verlässliche Zuweisung durch die Regellehrperson (oder durch „Tests“, vgl. Eintrittstests) nicht möglich. Stützkurse müssen daher so organisiert sein, dass jeder einzelne Lernende, jede einzelne Lernende individuell genau an ihren Schwierigkeiten arbeiten kann.

Die Frage, warum die jeweilige Lernende bzw. der jeweilige Lernende „dem Unterricht nicht folgen kann“, kann erst im Stützkurs beantwortet werden. D.h. die eigentliche Diagnose, die Feindiagnose, kann erst im Stützkurs erfolgen. Zu Beginn des Stützkurses muss also ein intensives Gespräch stehen. Dieses kann man mit einem Instrument wie dem FzL unterstützen bzw. vorbereiten (vgl. Grassi, et al., 2014, S. 104 ff).

Aber auch eine noch so sorgfältige Eingangsdiagnose wird immer nur eine vorläufige Diagnose sein. Arbeiten die Lernenden am diagnostizierten Problem, kann sich über kürzer oder länger zeigen, dass die Schwierigkeiten an einem anderen Ort liegen, als vermutet. Entsprechend gilt es, flexibel auf solche Entwicklungen zu reagieren. Es wird also immer Lernende geben, „die für eine begrenzte Zeit sogar eine Eins-zu-eins-Beratung benötigen, um ihre Leistungen an der Berufsfachschule – und so auch die Leistungen im Betrieb und allenfalls in den überbetrieblichen Kursen – zu verbessern. Denn nur bei individueller Begleitung ist es möglich, das Vorgehen der Lernenden detailliert zu analysieren und zu reflektieren, allfällige Fehlüberlegungen zu erkennen und daraus Veränderungsmöglichkeiten abzuleiten.“ (Grassi et al., 2014, S. 139)

2 Unterstützen allgemein

Idealerweise führen Stützmassnahmen dazu, dass die Lernenden dadurch in die Lage kommen, besser vom Regelunterricht zu profitieren, und dass die Stützmassnahmen dadurch überflüssig werden. Stützkurse sollten daher in einem direkten Bezug zum Regelunterricht stehen, sollten den Lernenden die Gelegenheit geben, an den Schwierigkeiten zu arbeiten, die sie im Regelunterricht erleben.

Damit dies möglich ist, müssen Lehrpersonen, die Stützunterricht geben, ausreichend über den entsprechenden Regelunterricht informiert sein: Ziele, didaktische Arrangements, Prüfungsformen etc. (vgl. Unterricht, Diagnose und Förderung). Am einfachsten liesse sich das realisieren, wenn dieselbe Person den Stütz- wie den Regelunterricht erteilt. Davon ist aber abzuraten, denn die Lernenden nehmen am Stützunterricht teil, weil sie Schwierigkeiten haben, dem Regelunterricht zu folgen, und dass dieselbe Person, welche diese Schwierigkeiten „verursacht“, sie auch beheben kann, ist unwahrscheinlich. Wirksamer ist eine zweite Lehrperson einzusetzen, welche eine neue Perspektive einbringen kann (vgl. auch „Stützkurse als Qualitätssicherungsmassnahme“ unten).

Organisatorisch lässt sich der Bezug zum Regelunterricht am einfachsten durch eine Art „Aufgabenhilfe“ erreichen, in dem die Lernenden Aufgaben aus dem Regelunterricht mitbringen und im Stützkurs daran arbeiten. Dies kommt den Bedürfnissen der Lernenden entgegen: „Lernende erwarten von lernfördernden Massnahmen in erster Linie inhaltliche Unterstützung: Sie möchten also beispielsweise eine Arbeitsanweisung wiederholt, nicht verstandene Inhalte noch einmal erklärt bekommen, sie möchten inhaltliche Lücken schliessen oder bessere Noten erzielen. Lernfördernde Massnahmen sollen also helfen, den Leidensdruck zu mindern. Dabei zeigen Lernende meist eine ausgeprägte Produkteorientierung. Erst allmählich werden sie sich der Komplexität von Lern- und Problemlösehandlungen bewusst. Das Umlenken der Aufmerksamkeit von der Produkteorientierung zur Prozessorientierung (den Weg des Vorgehens betonend) ist delikat und kann oft nur allmählich und schrittweise erfolgen.“ (Grassi et al., 2014, S. 136)

Mit anderen Worten: Ausgangspunkt sind die aktuellen Schwierigkeiten, welche die Lernenden im Regelunterricht erleben. Mit der Zeit müssen die Lernenden aber dazu kommen, an den Ursachen dieser Probleme zu arbeiten. Dafür, dass dies gelingt, sind viele Aspekte von Bedeutung, die hier nicht alle erwähnt werden können. Beispielsweise geht es zuerst einmal darum, „eine Basis des Vertrauens zu schaffen. Denn nur so ist es für die begleitende Person möglich, Einblick in das Vorgehen und die Überlegungen der oder des Lernenden zu erhalten.“ (Grassi et al. 2014, S. 139) Mehr dazu findet sich im nun schon mehrfach zitierten Buch von Grassi, Rhiner, Kammermann & Balzer (2014). Im Folgenden sollen nur ein paar spezifisch mathematikdidaktische Aspekte hervorgehoben werden. Dabei geht es in der Begrifflichkeit von Grassi et al. um „inhaltliche Förderung“ (Grassi et al., 2014, S. 136f).

3 Spezifische Unterstützung im Bereich Rechnen/Mathematik

Es lassen sich vier verschiedene Schwierigkeiten inhaltlicher Natur unterschieden, welche Lernende im Bereich Rechnen/Mathematik haben:

  • Fehlender Bezug zum beruflichen Alltag: Den Lernenden gelingt es nicht, zwischen den an der Schule behandelten Aufgaben und ihrem beruflichen Alltag eine Verbindung herzustellen.
  • „Knopf in der Leitung“: Die Lernenden haben zu einem bestimmten mathematischen Konzept eine falsche bzw. ungünstige Vorstellung, die sie daran hindert, dieses sinnvoll einzusetzen.
  • Fehlendes Wissen: Den Lernenden fehlt ein bestimmtes Wissenselement, welches sie benötigen, um dem Regelunterricht folgen zu können.
  • Fehlende Routine: Die Lernenden verfügen bezüglich bestimmter Techniken über zu wenig Routine, so dass sie in gewissen Momenten zu viel Zeit verlieren.

Welche dieser Schwierigkeiten genau vorliegt, ist nicht immer sofort erkennbar. Diagnostisch ist es am sinnvollsten, die mögliche Art der Schwierigkeit in der Reihenfolge abzuklären, wie diese hier aufgelistet sind. Dieses Vorgehen entspricht der generell hier vertretenen Haltung, didaktisch „von den Füssen“ her, d.h. aus den beruflichen Berechnungssituationen heraus zu arbeiten.

Als didaktische Instrumente stehen dafür im Wesentlichen dieselben Instrumente zur Verfügung, wie sie auch im Klassenverband im Regelunterricht eingesetzt werden.

3.1 Situieren helfen

Viele Probleme Lernender lösen sich auf, wenn sie beginnen, alles, was in der Schule geschieht, konsequent mit ihren Erfahrungen aus dem Betrieb zu verbinden (vgl. „Anna und die Faltenzahl“ unten). Es empfiehlt sich daher, mit den Lernenden als erstes einmal an dieser Verbindung zu arbeiten.

Genauso wie im Regelunterricht eignen sich dafür die Acht Schritte, d.h. man geht mit den Lernenden bezüglich der Aufgabe, die sie aus dem Regelunterricht mitbringen (bspw. „Berechnen der Faltenzahl“), systematisch die acht Schritte durch. Dies dient gleichzeitig als Diagnoseinstrument, da sich so ganz unterschiedliche Schwierigkeiten lokalisieren lassen.

  • Die Lernenden kommen bereits im Schritt 3 zu guten Lösungen und scheinen keine grösseren Schwierigkeiten zu haben. Dann fehlt den Lernenden vermutlich einzig und allein die Gewohnheit, auch ausserhalb des Stützkurses routinemässig die Verbindung Schule-Betrieb herzustellen. Eine entsprechende Gewohnheit kann man bei ihnen entwickeln helfen, indem man sie immer wieder auffordert, diese Verbindung herzustellen. Erleben sie dann wiederholt, dass ihre Probleme so verschwinden, werden sie diese Erfahrung auch auf andere Kontexte übertragen.
  • Schritte 1&2: Den Lernenden fällt keine passende Situation aus dem Betrieb ein – entweder weil sie tatsächlich noch keine entsprechenden Situationen erlebt haben oder weil es ihnen nicht gelingt, zwischen der Aufgabe aus dem Regelunterricht und ihren Erlebnissen im Betrieb eine Verbindung herzustellen. Die wirksamste Unterstützung kann man hier geben, wenn man aus der eigenen Erfahrung eine entsprechende Situation schildert, eine Geschichte erzählt, die man selbst erlebt hat. Kennt man keine entsprechende Geschichte, kann man versuchen, zusammen mit den Lernenden auf die Suche nach solchen zu gehen. Bleibt auch dies erfolglos, dann kann man leider die Lernenden in diesem Punkt nicht unterstützen und eine Unterstützung wird generell sehr schwierig bis unmöglich.
  • Schritt 3: Die Lernenden sitzen vor der gestellten Aufgabe, zeigen wenig Ideen, wie man sie angehen könnte, und sind offensichtlich nicht in der Lage, das vermutlich aus der obligatorischen Schulzeit vorhandene Wissen und Können zu mobilisieren. In diesem Fall ist es zweckmässig, zuerst einmal nach vorhandenem Wissen und Können auf die Suche zu gehen. Geht es beispielsweise darum, einen ebenen Platz anzulegen, der eine Neigung von 2% haben sollte, damit das Wasser abläuft, kann man zuerst ganz in der Nähe suchen und die Lernenden fragen, ob sie es schon in anderen Kontexten mit Steigungen zu tun hatten. Ergibt das Nichts, kann man immer weitere Kreise ziehen und beispielsweise nach Erfahrungen mit Prozenten fragen etc. Findet man auf diesem Weg geeignetes Wissen, kann man es mit Hilfe eines Horizontaler Transfer nutzbar machen. Findet man gar nichts, dann bleibt nichts anderes, als die so entdeckten „Löcher zu stopfen“ (vgl. 3.3 unten).
  • Schritt 4: Die von den Lernenden vorgestellten Vorgehensweisen sind nicht wirklich für den professionellen Einsatz im Betrieb geeignet. Dies bedeutet, dass die Lernenden in dem Moment, wo im Regelunterricht im Rahmen von Schritt 5 das professionelle Vorgehen gestellt wurde, irgendetwas nicht verstanden haben. Unterstützen kann man hier, indem man diesen Schritt 5 wiederholt.
  • Schritt 6: Die Lernenden haben beim Ãœben Schwierigkeiten. Vermutlich haben sie dann für sich verschiedene Fragen, die sich stellen, wenn man das Modell aus Schritt 5 selbst anwenden soll, noch nicht geklärt. Dann brauchen sie einfach noch etwas Zeit, Gelegenheit und Unterstützung um anhand weiterer Beispiele diese Fragen zu klären. Oft ist es hier nützlich den Lernenden mit Hilfe von Handfestem Modellieren zu ermöglichen, das Ganze sorgfältig durchzudenken (als Beispiel s. Abschnitt 4 unten).
  • Schritte 5&6: Die Lernenden verstehen trotz sorgfältigem Modellieren und Unterstützung beim Ãœben irgendetwas nicht, irgendwo haben sie „einen Knopf in der Leitung“. Dann muss man die Arbeit über die Acht Schritte unterbrechen und sich zuerst diesem Verständnisproblem zuwenden (s. 3.2 unten).
  • Schritt 6: Die Lernenden können entsprechende Situationen fehlerfrei behandeln, sie brauchen aber für bestimmte Schritte viel länger, als sie im Alltag dafür Zeit haben. Auch dann muss man hier die Arbeit über die Acht Schritte unterbrechen und daran arbeiten, dass die Lernenden bezüglich der kritischen Punkte mehr Routine erwerben (vgl. 3.4 unten).
  • Schritte 7&8: Den Lernenden gelingt es nicht, etwas, das sie im schulischen Kontext ohne weiteres können, am Arbeitsplatz auch einzusetzen. Zumindest für die ersten paar Versuche ist das ganz normal und es gehört zur Arbeit sich in den Schritten 7 und 8 zusammen mit den Lernenden mit diesen Schwierigkeiten auseinander zu setzen. Halten die Schwierigkeiten an, wird ein Gespräch mit den zuständigen Berufsbildenden am Arbeitsplatz notwendig. (Vgl. dazu Grassi, et al., 2014, S. 80: „Der runde Tisch“)

3.2 Knöpfe lösen

Bei den Schritten 5/6 der Acht Schritte kann sich zeigen, dass Lernende offenbar ein Verständnisproblem haben, welches nichts mit der Anwendung des Wissens auf eine bestimmte Situation zu tun hat. Ihr Problem ist vielmehr, dass sie bezüglich irgendeines mathematischen Konzepts eine falsche oder ungünstige Vorstellung haben und so einfach nicht verstehen können, was man ihnen zu erklären versucht. Ein aus der Forschung bekanntes Beispiel dafür ist das folgende: Wie in „2×3=“ steht in der Primarschule das Gleichheitszeichen zuerst einmal für die Aufforderung, rechts davon das Resultat hinzuschreiben. Bei „U=R×I“ macht dies aber keinen Sinn mehr, denn inwiefern könnte „R×I“ das Resultat von „U“ sein. Lernende müssen irgendwann verstehen, dass Gleichheitszeichen verschiedene Bedeutungen haben können. Geschieht das nicht, werden sie grosse Mühe haben, so etwas wie „U=R×I“ sinnvoll zu interpretieren.

Diagnose und Unterstützung in diesem Fall ist nicht einfach, da dafür oft vertieftes mathematikdidaktisches Wissen benötigt wird. Von den didaktischen Instrumenten eignet sich dabei vor allem das Handfeste Modellieren um den Lernenden zu helfen, geeignete Konzepte aufzubauen.

3.3 Löcher stopfen

Manchmal zeigt sich bei Schritt 3 oder spätestens bei den Schritten 5/6 der Acht Schritte, dass Lernende tatsächlich nicht über ein bestimmtes Vorwissen verfügen, welches vorausgesetzt wird. Die Schwierigkeiten dieser Lernenden liegen also nicht darin, dass sie ihr Wissen nicht gebrauchen können, sondern darin, dass ihnen das entsprechende Wissen fehlt. Ein mögliches, konstruiertes Beispiel: Bei den Gärtnern/Gärtnerinnen werden Situationen behandelt, in denen die Steigung des Geländes eine Rolle spielt. Die Lehrperson setzt voraus, dass die Lernenden Steigungsangaben in Prozent kennen und fährt normalerweise gut damit, da meist alle Lernenden dazu schon Aufgaben bearbeitet haben. (Prozente im Zusammenhang mit Zinsen und Steigungen sind im Lehrplan 21 als obligatorische Themen vorgesehen.) Denkbar ist, dass es aber trotzdem immer wieder einzelne Lernende gibt, bei denen dies aus irgendwelchen Gründen nicht der Fall war.

In diesen Fällen gilt es, das Fehlende nachzuholen. Die Unterstützung geschieht genau gleich, wie man mit Lernenden im Normalunterricht arbeiten würde, wenn man das entsprechende Wissen (bspw. Steigungsangaben in Prozent) nicht voraussetzt: Zentral sind auch hier die Acht Schritte, wobei dann bei Schritt 5 das neue Werkzeug eingeführt wird. Nützlich kann hier auch ein Horizontaler Transfer sein, indem man bspw. das Wissen zu Prozentangaben im Zusammenhang mit Preisen und Rabatten als Ausgangspunkt nutzt.

3.4 Routine ausbilden

Es kann vorkommen, dass Lernende ein Vorgehen zwar durchaus beherrschen und auch situationsangemessen fehlerfrei durchführen können, dass sie dabei aber zu viel Zeit brauchen, um im Alltag wirklich handlungsfähig zu sein. „Alltag“ kann hier der berufliche aber auch der schulische Alltag sein. Mögliche Beispiele: Servicefachangestellte, welche zwar bei je separat zahlenden Kunden am Tisch sehr wohl von Hand oder mit dem Taschenrechner die entsprechenden Preise zusammenrechnen können, die dabei aber die Geduld der wartenden Kunden arg strapazieren; oder Lernende, welche bestimmte Berechnungen sehr wohl fehlerfrei ausführen können, dafür aber viel mehr Zeit brauchen, als während der Prüfung zur Verfügung steht.

Die Unterstützung, welche Lernende in diesem Fall brauchen, ist relativ einfach: Viele, viele Übungsaufgaben! Routine in dem hier angesprochen Sinn stellt sich nur durch massives Training ein. Schnell mit dem Taschenrechner ein paar Preise zu addieren erlernt man nur, wenn man dies hunderte Male macht und dabei versucht das Tempo zu steigern.

Dasselbe gilt für die Bearbeitung von Prüfungsaufgaben. Hier muss man allerdings aufpassen, dass durch knappe Zeitvorgaben bei Prüfungen nicht eine Anforderung eingeführt wird, welche für den beruflichen Alltag irrelevant ist. Routine im hier angesprochen Sinn zu entwickeln, benötigt sehr viel Übungszeit. Es muss daher gut überlegt sein, wo man diese Zeit sinnvoll investiert.

Für die zügige Arbeit mit dem Taschenrechner wie auch – soweit relevant – für das Kopfrechnen findet man im Internet viele Seiten, die Trainingsprogramme anbieten.

4 Ein Beispiel: Anna und die Faltenzahl

5 Organisation des Stützkursunterrichts

Gute Stützkurse anzubieten ist nicht ganz einfach und setzt nicht zuletzt voraus, dass man gut ausgebildete Personen hat, welche die Lernenden individualisiert begleiten können. Auch müssen die Kurse sinnvoll in die Gesamtorganisation der Schule eingebunden sein. Denkbar sind für die Organisation von Stützmassnahmen verschiedene Modelle. Grassi, Rhiner, Kammermann & Balzer (2014, S. 125) schreiben dazu:

„Der Kanton Zürich unterscheidet, gestützt auf ein Innerschweizer Pilotprojekt …, drei Modellvarianten für die fachkundige individuelle Begleitung (fiB):

  1. integrative Lernbegleitung, integriert im obligatorischen Unterricht der Berufsfachschule durch Teamteaching;
  2. teilintegrative Lernbegleitung: kombiniert Coaching, das ausserhalb des obligatorischen Unterrichts angeboten wird, mit Arbeit an individuellen Lernzielen in selbstgesteuerten Lerneinheiten im Unterricht;
  3. ergänzende Lernbegleitung, getrennt vom obligatorischen Unterricht, angeboten und durchgeführt von schulischen Lernberatungs- sowie externen Beratungsstellen.“

Diese drei Varianten sind mögliche Modelle nicht nur für die fachkundige individuelle Begleitung in den zweijährigen Grundbildungen sondern grundsätzlich zur Organisation von Stütz- und Fördermassnahmen. Sie haben je ihre Vor- und Nachteile. Bei der Variante 1 (Teamteaching) besteht die Gefahr, dass die Lernenden nicht den zum Reflektieren ihres Lernens notwendigen Abstand zum Regelunterricht gewinnen. Bei Variante 3 (getrenntes Angebot) muss umgekehrt darauf geachtet werden, dass diese Distanz nicht zu gross wird, dass der Bezug zum Regelunterricht nicht verloren geht.

Sowohl bei der zweiten wie auch bei der dritten Variante gilt es ein Angebot ausserhalb des Regelunterrichts zu organisieren. Dabei ist zu berücksichtigen, dass sich grundsätzlich weder vorhersagen lässt, wann einzelne Lernende dieses Angebot benötigen, noch wie lange. Ideal ist daher, wenn das Stützangebot im „Dauerbetrieb“ etabliert werden kann, d.h. wenn geeignete Lehrpersonen jede Woche zu einer festen Zeit an einem festen Ort sind, wohin die Lernenden immer wieder kommen können, solange sie Unterstützung benötigen.

Eine individualisierte Einzelbetreuung der Lernenden ist sehr aufwändig. Wenn der Stützkurs als Aufgabenhilfe organisiert wird (vgl. Abschnitt 2), ist dies aber auch nicht durchgehend nötig. Die Lernenden sollen ja auch lernen, sich selbstständig mit ihren Schwierigkeiten auseinander zu setzen. Man kann den Kurs so organisieren, dass die Lernenden grundsätzlich einmal selbstständig in aller Ruhe an ihren Aufgaben arbeiten. Die Lehrperson steht als Berater/Beraterin zu Verfügung und hilft wo nötig.

Durch geeignete Massnahmen kann man sicherstellen, dass nicht allzu oft Lernende mit einem akuten Unterstützungsbedarf warten müssen, wenn die Lehrperson gerade mit einem anderen Lernenden beschäftigt ist. Eine Entlastung ergibt sich, wenn der Kurs im Dauerbetrieb geführt wird und die Lernenden nicht alle zur gleichen Zeit eintreten, sondern je nachdem, wann sich bei ihnen ein Bedarf zeigt. Dann sind im Kurs zu jeder Zeit immer eine Mischung von „Neulingen“ – die viel Betreuung brauchen – und „alten Hasen“ – die weitgehend selbstständig arbeiten – anwesend. Dadurch sinkt potentiell die Zahl der Lernenden, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gleichzeitig Betreuung brauchen. Legt man dann noch zwei solche Kurse zusammen, so dass zwei Lehrpersonen gleichzeitig etwa 16 Lernende betreuen, kann man besser Belastungsspitzen brechen, wenn zufälligerweise mehrere Lernende gleichzeitig intensive Betreuung benötigen.

Damit für die Lehrpersonen ersichtlich ist, wer wie dringend Beratung braucht, ist ein geeignetes Kommunikationssystem hilfreich. Bewährt hat sich folgender Farbcode, mit dem die Lernenden ihre Bedürfnisse signalisieren können:

  • Grün: Keine Probleme, ich arbeite selbstständig.
  • Gelb: Ich hätte eine Frage, die Beantwortung ist aber nicht dringend.
  • Rot: Ich benötige dringend Beratung!
  • Blau: Heute ist nicht mein Tag, bitte lasst mich in Ruhe!

Ihren aktuellen Zustand können die Lernenden signalisieren, indem sie beispielsweise ein entsprechendes Farbkärtchen vor sich auf den Tisch legen. Natürlich dürfen und müssen die Lehrpersonen gelegentlich die gemeldeten Zustände in Frage stellen und beispielsweise bei Lernenden vorbeischauen, die ungewöhnlich lange auf Grün (oder Blau!) „geschaltet“ haben.

6 Die goldenen Regeln

Hier das Wichtigste in Form von zehn Regeln zusammengefasst:

  1. Die Probleme der Lernenden sind individuell, Stützkurse müssen daher individualisiert sein.
  2. Die Lernenden sind im Stützkurs, weil sie Probleme im Regelunterricht und/oder im Betrieb haben. Es geht darum, sie gezielt bezüglich dieser Probleme zu unterstützen.
  3. Am besten geht das als „Aufgabenhilfe“: Die Lernenden bringen Aufgaben aus Regel­unterricht und/oder Betrieb mit und arbeiten daran.
  4. Manchmal brauchen sie dabei Einzelbetreuung. Zumindest mit der Zeit sollten sie aber auch lernen, selbstständig zu arbeiten.
  5. Schwierigkeiten sind typischerweise nicht „Wissenslücken“ sondern Anwendungsprobleme und mangelndes Selbstvertrauen. Sinnvoller als „Lücken zu stopfen“ ist es daher, den Lernenden zu helfen ihr vorhandenes Wissen zu nutzen.
  6. Dies erreicht man, indem man Fragen stellt und die Lernenden dazu bringt, sich selbst Fragen zu stellen. Dasselbe nochmals zu erklären, was im Regelunterricht schon erklärt wurde, hilft selten.
  7. Die Lernenden sollen dabei nicht nur an den konkreten Aufgaben arbeiten, sondern auch an ihrer Art zu Lernen. Dies indem sie ihr Vorgehen reflektieren und festhalten, wie und warum sie erfolgreich sind.
  8. Idealerweise bietet man Stützkurse als eine Art „Dauerbetrieb“ an: Eine feste Zeit unter der Woche, wo die Lernenden so lange immer wieder kommen können, wie sie Unterstützung brauchen.
  9. Ein solches Angebot lässt sich mit zwei gleichzeitig anwesenden Lehrpersonen auf 16 Lernende durchführen, wenn die Lernenden Vieles selbstständig durcharbeiten.
  10. Die ideale Besetzung ist eine fachfremde Lehrperson – welche aus ihrer Distanz die Fragen noch sieht, die sich den Lernenden stellen – und eine Fachlehrperson – welche beigezogen werden kann, wenn im engeren Sinn fachliches geklärt werden muss.

7 Stützkurse als Qualitätssicherungsmassnahme

Organisiert man Stützkurse als begleitete Aufgabenhilfe, wird man ab und zu zur Feststellung kommen: „Kein Wunder haben die Lernenden an dieser Stelle Schwierigkeiten, da verstehe ich ja selbst nicht, was gefordert ist.“ Dies kann auch bei erfahrenen, „guten“ Lehrpersonen geschehen, da beispielsweise die Entwicklung verständlicher schriftlicher Aufträge keineswegs trivial ist. Manchmal kann ein einziges unglücklich gewähltes Wort dazu führen, dass die Lernenden den Auftrag falsch verstehen.

Rückmeldungen aus dem Stützkurs sind deshalb grundsätzlich wertvolle Informationen für die Regellehrperson, die dieser erlauben, ihren Unterricht zu optimieren. Am einfachsten lassen sich diese organisieren, wenn Stützkurslehrperson und Regellehrperson sich in regelmässigen Abständen zu solchen Fragen austauschen. Es ist dabei die Aufgabe der Schulleitung im Team eine entsprechende Arbeitshaltung zu schaffen, so dass solche Rückmeldungen nicht als Angriffe oder Kritik, sondern als willkommener Beitrag zur Qualitätssicherung erlebt werden.

8 Erwähnte Literatur

Grassi, A., Rhiner, K., Kammermann, M. & Balzer, L. (2014). Gemeinsam zum Erfolg. Früherfassung und Förderung in der beruflichen Grundbildung durch gelebte Lernortkooperation. Bern: hep verlag.

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