Wie viele Rollen Dachpappe benötigen wir?

Das Beispiel stammt von einem Fachlehrer, welcher an einem mehrtägigen Kurs teilgenommen hat. Offenbar hatte ich ihn am ersten Tag davon überzeugt, dass man am besten von den Berechnungssituationen ausgeht, welche im entsprechenden Beruf wirklich auftreten. Er ging auf die Suche und präsentierte mir am zweiten Tag eine Situation aus dem Alltag von Dachdeckern:

Um Flachdächer abzudecken, wird darauf Dachpappe verlegt. Diese Dachpappe wird in Rollen geliefert. Entsprechend stellt sich für ein Team von Dachdeckern jeweils die Frage, wie viele solche Rollen sie zum Decken eines bestimmten Daches mitnehmen müssen.

Der Lehrer kategorisierte die Situation unter „Flächenberechnungen“. Und entsprechend nahm er sie als Anlass, um mit den Lernenden die Flächenmasse und Umrechnungen von mm2 bis km2 zu repetieren – ein schönes Beispiel dessen, was man „schulmathematischen Reflex“ nennen könnte.

Im Gespräch am zweiten Kurstag war er dann aber schnell bereit zuzugestehen, dass Dachdecker im beruflichen Alltag wohl kaum je mit Quadratmillimeter und auch nicht mit Quadratkilometer konfrontiert werden. Andere Masse als m2 sind unüblich. Sein nächster Schritt „vom Kopf auf die Füsse“ bestand daher darin, das Ganze auf m2 zu beschränken.

Richtig spannend wurde es aber erst, als wir Zeit fanden, gemeinsam die typischen Ãœberlegungen eines erfahrenen Dachdeckers durchzugehen:

Die Rollen sind 1.20 m breit. Sie werden jeweils 10 cm überlappend verklebt, so dass sich Bahnen von genau 1 m Breite ergeben. Nehmen wir an, das Dach sein 6.5 m breit, dann werden 7 solche Bahnen benötigt. Auf jeder Rolle befinden sich 5 Laufmeter Dachpappe. Nehmen wir im Weiteren an, dass das Dach 14 m lang ist, dann benötigen wir pro Bahn 3 Rolle, also insgesamt 7 x 3 = 21 Rollen.

Fertig – und nirgends kommen auch nur für den Bruchteil einer Sekunde Quadratmeter ins Bild! Dass das Dach im Beispiel eine Fläche von 91 m2 aufweist, ist bedeutungslos. Selbstverständlich ist es so, dass man im Allgemeinen für flächenmässig grössere Dächer mehr Rollen benötigt als für kleinere. Aber der Zusammenhang ist nicht so direkt, denn sowohl für ein deutlich kleineres Dach von 6.1 m x 12.1 m (73.8 m2) wie für ein wesentlich grösseres von 7.0 m x 14.6 m (102.2 m2) benötigen wir je 3 x 7 = 21 Rollen. Der Blick auf die Fläche hilft wenig, lenkt aber stark von den relevanten Zusammenhängen ab.

Viel wichtiger ist die Berücksichtigung diverser Randbedingungen, die eingehalten werden müssen und die von Betrieb zu Betrieb verschieden sein können – je nach dort üblichem Vorgehen. In diesem Fall:

  • Die Bahnen werden allseitig 10 cm überlappend verlegt.
  • Am Rand werden sie jeweils 35 cm hochgezogen (in den Beispielen oben nicht berücksichtigt).
  • Die Bahnen werden in Längsrichtung verlegt und pro Bahn wird maximal eine angebrochene Rolle verwendet (damit möglichst wenige Nähte entstehen und so die Gefahr undichter Stellen möglichst klein ist).

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