Die Wirkungskaskade

Kaskade_Berufsbildung

3 Probleme im Gebrauchskontext

Das Gelingen von Didaktischer Analysen oder Curriculumsentwicklungen hängt stark davon ab, wie gut die Lehrpersonen (bzw. Dozierende oder Forschende) über den Gebrauchskontext der Lernenden (Lehrpersonen, Dozierende) im Bild sind. Dass es für Lehrpersonen nicht einfach ist, die relevanten Details des Gebrauchskontextes der Lernenden im Fokus zu haben, zeigt bspw. ein neueres Projekt im Bereich Mathematikdidaktik (Prediger et al. 2015).

Bei diesem Projekt leiteten die Forschenden aus der Literatur die Forderung ab, dass Lehrpersonen im Mathematikunterricht bei den Lernenden die Fähigkeit zu argumentieren fördern sollten. Laut Literatur können die Lehrpersonen dies am besten dadurch erreichen, indem sie einzelne Lernende in solche Diskussionen verwickeln. An diesem Punkt wäre es naheliegend gewesen, eine Weiterbildungseinheit zu entwerfen, wo Lehrpersonen üben können, entsprechende Dialoge mit Lernenden zu führen. Die Forscher in der Rolle als Dozierenden beschlossen aber, sich zuerst mit Lehrpersonen zusammenzusetzen und gemeinsam zu erarbeiten, wie solche Diskussionen in den Unterricht eingebaut werden können. Dabei zeigte sich, dass die Lehrpersonen grosse Bedenken haben, sich auf die Idee einzulassen – nicht weil ihnen die Bedeutung solcher Dialoge nicht einleuchten, sondern weil es ihrer Vorstellung von guter Klassenführung widerspricht, sich für eine gewisse Zeit nur einzelnen Lernenden zuzuwenden und den Rest der Klasse auszublenden.

Wie das Beispiel illustriert, sind meist nach dem Grenzübertritt vom Schulungskontext zum Gebrauchskontext verschiedenste Probleme zu lösen, will man das Gelernte wirklich gebrauchen. Pointiert formuliert geht es dabei um „… die Lücke zwischen Regel und Situation, die immer durch ein besonderes praktisches Vermögen überbrückt werden muss, das seit je das Interesse der Philosophen herausfordert (phronesis nennt Aristoteles, Urteilskraft nennt Kant diese Black Box im Niemandsland zwischen Praxis und Theorie).“ (Neuweg 2011, S. 127; im IML2 steht das Situative System für dieses praktische Vermögen).

Auch hier kann man es sich wieder einfach machen, und es den Lernenden überlassen, das Problem selbst zu lösen. Man hat ihnen ja nach bestem Wissen und Gewissen relevante Inhalte vermittelt und das Vermittelte sollten sie nun auch gebrauchen können. Es gibt aber auch Versuche, Lehrpersonen (bzw. Dozierende oder Forschende) über den Gebrauchskontext so ins Bild zu setzen, dass sie die Lernenden auch in diesem Zusammenhang unterstützen können. Das oben beschriebene Projekt ist ein Beispiel dafür und Prediger et al. (2015) schlagen ein fünfschrittiges Vorgehen zu Entwicklung von Weiterbildungseinheiten vor, dessen Schritt 3 die empirische Exploration der Sicht zukünftiger Weiterbildungsteilnehmender ist. Andere haben vorgeschlagen, dass sich die Lehrpersonen zumindest vorübergehend in den Gebrauchskontext ihrer Lernenden begeben (evtl. zusammen mit diesen) und so entsprechende Erfahrungen sammeln (bspw. Bakker & Akkerman 2014). Und zumindest in der Schweiz ist es üblich, dass Lehrpersonen in der Berufsbildung erfahrene Berufsleute sind, welche den Gebrauchskontext sehr gut kennen.

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