3. Erster Einblick in die Pädagogik (1974)

Mein Ziel war es, Mathematiklehrer zu werden. Neugierig deckte ich mich auf eigene Faust mit pädagogischer Literatur ein, denn im offiziellen Lehrplan war solches in den ersten Semestern noch nicht vorgesehen. Vieles las ich während der damals siebzehn Wochen dauernden Rekrutenschule, der Grundausbildung der Schweizer Armee. (Nicht im Schützengraben, wenn auch einige der Bücher dabei offensichtlich gelitten haben und noch heute voller Schokoladespuren sind!)

Der erste Eindruck war enttäuschend. Ein Buch mit dem Titel ‚Einführung in pädagogisches Sehen und Denken‘ gab mir den Eindruck, dass sich Pädagogen für alles Mögliche interessierten, nur nicht für die Frage, die mich beschäftigte. Da war von Anlage, Umwelt und Erziehung die Rede und die Autoren machten sich Gedanken darüber, ob der Mensch erzogen werden muss, oder ob er sich aus sich selbst heraus zum Menschen entwickeln kann. Nirgends konnte ich aber etwas darüber erfahren, was in den Köpfen der Lernenden geschieht.

Ähnlich ging es mir mit Büchern, die man wohl eher der Didaktik zuordnen würde. Hier wurden Fragen der Klassengrösse und der Sitzordnung diskutiert, wie man entscheidet, was unterrichtet werden soll und wie Unterricht überhaupt am besten zu organisieren ist etc.. Alles Dinge, die nun wirklich nichts mit meiner Grundfrage zu tun hatten.

Natürlich kann man diese erste Enttäuschung z.T. darauf zurückführen, dass ich autodidaktisch versucht hatte, mich dem Thema zu nähren und dass eine kompetente Beratung mich vielleicht schon auf die eine oder andere brauchbare Spur gesetzt hätte. Aber es gibt in dieser Reaktion ein paar grundsätzliche Aspekte, die die folgenden Ausführungen prägen werden:

  1. Ziele werden als gegeben angenommen. Die Frage nach der Wahl und dem Setzen von Zielen von Bildung und Ausbildung hat mich nie interessiert. Betrachtet man Lehren und Lernen als Ganzes, ist dies selbstverständlich auch ein wichtiger Aspekt, aber im Folgenden wird er keine Rolle spielen. Ziele werden immer vorausgesetzt. Der Fokus liegt auf der Frage, was bei gegeben Zielen für das Lernen getan werden kann.
  2. Fundierte didaktische und pädagogische Überlegungen setzen einen lerntheoretischen Hintergrund voraus. Sehr viele pädagogische und didaktische Abhandlungen, die ich damals gelesen und auch unterdessen angetroffen habe, finden ohne fundierten Bezug darauf statt, wie Lernen eigentlich funktioniert. Das erachte ich als sinnloses Unterfangen. Im Folgenden wird es deshalb immer zuerst darum gehen, ein genügend präzises Bild von den beim Lernen ablaufenden Prozessen zu haben, bevor andere Fragen eine Rolle spielen.

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