Die Länge schräger Leitungen – ein Beispiel in Acht Schritten

pdf    Das Folgende sind kommentierte Auszüge aus einem Kompetenznachweis, einer recht umfangreichen schriftlichen Arbeit plus Anhang. Die Textteile in Normalschrift stammen von Benjamin Roth. Die Anmerkungen in Kursivschrift von Hansruedi Kaiser.

Bei diesem Beispiel handelt es sich um eine sehr gut gelungene Umsetzung der Grundideen der Acht Schritte, welche nur in ganz wenigen Punkten von der Ideallinie abweicht – siehe dazu die eingeschobenen Kommentare.

1     Einleitung

Im Rahmen meiner Ausbildung am EHB lernte ich im Modul „Berufsfelddidaktik“ das 8-Schritte Modell kennen. Dieses didaktische Unterrichtsmodell vernetzt den Berufskundeunterricht mit betrieblichen Erfahrungen der Lernenden. Das Modell baut den Unterricht auf erlebten Situationen von den Lernenden auf und will damit Verknüpfungen zwischen den beiden Lernorten Betrieb und Schule herstellen. Anlässlich des Selbststudiums ging es darum, das 8-Schritte Modell im Fachkundeunterricht mit einem Studienkollegen umzusetzen. Dabei sollte der Unterricht geplant, beobachtet und anschliessend reflektiert werden. Die gemachten Erfahrungen wurden in einem schriftlichen Bericht verfasst und den Dozenten zur Verfügung gestellt. In der zweitletzten Veranstaltung wurden die Ergebnisse aus der Umsetzung durch die unterschiedlichen Lerntandems vorgestellt. Dabei war es interessant zu sehen, dass die anderen Lerntandems bei Ihrer Umsetzung auf ähnliche Schwierigkeiten gestossen sind und sich teilweise ähnliche Erkenntnisse ergaben.

Gearbeitet habe ich mit einer Klasse von 22 Lernenden in der Ausbildung zum Sanitärinstallateur/zur Sanitärinstallateurin. Der Unterricht fand wenige Wochen nach Ausbildungsbeginn statt.

2     Durchführung

Bevor ich mit der Planung des 8-Schritte Modells beginnen konnte, musste ich zuerst nach einen geeigneten Lerngegenstand suchen, der sich für die konkrete Umsetzung eignet. Ich entschied mich dabei für Berechnungen am rechtwinkligen Dreieck mit Hilfe des Satzes von Pythagoras, respektive mit Hilfe von Faktorentabellen. Ziel dabei ist, dass die Lernenden in der Praxis wie auch in der Berufsfachschule schräg verlaufende Leitungen berechnen können.

Die Grundidee der Acht Schritte wäre natürlich, dass am Anfang eine Berechnungssituation steht und nicht ein „Lerngegenstand“, für den man dann eine Anwendung sucht. Dass es hier anders ist, ist typisch für eine erste Umsetzung. Nachdem eine Berechnungssituation gefunden wurde, bleibt sie hier dann aber im Fokus – anders als bei vielen ersten Umsetzungen. Nur an ganz wenigen Stellen zeigt sich, dass der Lerngegenstand und nicht die Berechnungssituation am Anfang stand.

2.1 Erfahrungen sammeln

Mindestens ein Drittel der Lernenden sollten mit der Situation bereits Erfahrung gemacht haben, damit diese im Unterricht lebhaft wird und die anderen Lernenden zuhören. Da die Lernenden aber zu Beginn ihrer beruflichen Grundbildung, d.h. nach sieben Wochen, eher wenig Erfahrung sammeln konnten, musste ich diesen Aspekt bei der Planung zwingend berücksichtigen. Ich klärte im Vorfeld ab, wie viele Lernende bereits schon Erfahrung mit schräg verlaufenden Leitungen gemacht haben. Dabei stellte sich heraus, dass nur knapp 20% der Lernenden bereits mit einer solchen Situation in Kontakt gekommen sind. Ich entschied mich aus diesem Grund, im Vorfeld einen Beobachtungsauftrag für die Lernenden zu formulieren. Damit die Lernenden genügend Zeit hatten, eine solche Situation in der Praxis bewusst zu erleben, gab ich den Lernenden den Auftrag zwei Wochen vor den Herbstferien ab. Für mich war damit sichergestellt, dass möglichst viele Lernende eine Erfahrung mit der entsprechenden Situation sammeln konnten.

2.2 Erfahrungen schildern

Damit die Situation im Unterricht möglichst lebendig wird, mussten die Lernenden etwa vier bis fünf Fotos von dieser Situation mit ihrem Smartphone knipsen und mir per Mail senden. Ich musste beim Formulieren des Auftrags darauf achten, dass dieser für alle klar und verständlich ist. Mein Ziel dabei war, möglichst viel vorhandenes Fachwissen von den Lernenden in den Unterricht hinein zu holen und über dieses gemeinsam zu sprechen.

Ich war von den verschiedenen Erzählungen mit den eindrücklichen Fotos und den gesammelten Erfahrungen angenehm überrascht. Durch die konkrete Auseinander-setzung mit dem Beobachtungsauftrag haben sich die Lernenden bewusst mit schräg verlaufenden Leitungen in der Praxis beschäftigt. Es war für mich erfreulich zu sehen, wie pflichtbewusst die Lernenden den Beobachtungsauftrag vorbereiteten. Nur zwei von 22 Lernenden konnten mir im Vorfeld keine Fotos von einer konkreten Situation schicken, was eine vorbildliche Quote ist. Interessant war auch die Tatsache, dass im Anschluss an die Erzählungen intensive Diskussionen in der Klasse unter den Lernenden entstanden. Dabei wurden neben den mathematischen Aspekten auch weitere wichtige Aspekte wie die dabei verarbeiteten Materialien oder auch verschiedene Montagevorschriften rege diskutiert.

2.3 Aufgabe bearbeiten

Ich musste mir bei diesem dritten Schritt intensiv überlegen, wie eine gute Einstiegsaufgabe aussehen soll. Dabei wurde mir bewusst, dass die Einstiegsaufgabe unbedingt den Lerngegenstand im Fokus haben muss. Zusätzlich soll die Aufgabe möglichst praxisnah sein und das bestehende Vorwissen aktivieren. Weiter soll die Aufgabe die Lernenden herausfordern, gleichzeitig aber auch nicht überfordern und produktives Scheitern zulassen. Nach intensiver Überlegung entschied ich mich, eine mittelschwere Aufgabe aus dem Lehrmittel zu wählen, die aus meiner Sicht sämtliche Kriterien erfüllt.

Die Gruppen versuchten die Aufgabe mit viel Engagement und Interesse zu lösen. Die Einstiegsaufgabe war aus meiner Sicht gut gewählt und praxisbezogen. Es entstanden spannende Diskussionen in den verschiedenen Gruppen, jedoch zeigte sich auch Klärungsbedarf zum Thema Pythagoras. An dieser Stelle musste ich mich bewusst zurücknehmen und die Lernenden pröbeln zu lassen, obwohl ich gerne mehr geholfen hätte. Die Gruppen waren zum Teil auf gutem Wege, die Einstiegsaufgabe vollständig zu lösen. Die Lernenden wurden durch die Aufgabe herausgefordert. Dabei sind die Lernenden produktiv gescheitert, was unglaublich effizient ist, denn genau an diesem Punkt kann ich den weiterführenden Unterricht aufbauen.

2.4 Lösungen kritisch besprechen

Um das genaue Vorgehen der einzelnen Gruppen analysieren zu können, musste ich mir im Vorfeld überlegen, mit welchen möglichen Fragestellungen ich dies erreichen kann. Weiter musste ich darauf achten, dass ich den einzelnen Gruppen für die Präsentation genügend Zeit zur Verfügung stelle, die brauchbaren Ansätze wertschätze und für den weiteren Verlauf des Unterrichts auf einem Flipchart festhalte.

Ich war positiv überrascht von den Präsentationen mit den unterschiedlichen Lösungsansätzen. Es zeigte sich aber auch, dass verschiedene Punkte zum Teil noch nicht klar waren, diese wurden für den weiterführenden Unterricht auf einem Flipchart notiert. Zusammenfassend lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass es gelungen ist, Erinnerungen aus dem Betrieb in das Schulzimmer zu holen und zwischen den Lernorten Analogien herzustellen.

2.5 Einführung Werkzeuge, Professionelles Vorgehen

Um den Theorieteil möglichst interessant zu gestalten, entschied ich mich im ersten Teil, eine Zuordnungsaufgabe zu den verschiedenen Dreiecksarten zu gestalten. Die Lernenden sollen dabei in Gruppen den Dreiecksarten unterschiedliche Begriffe zuordnen. Ich will damit das vorhandene Vorwissen der Lernenden aktivieren, an dieses anknüpfen und darauf den weiteren Unterricht aufbauen. Im zweiten Teil geht es an den theoretischen Hintergrund des Lehrsatzes des Pythagoras. Ich entschied mich, diesen Teil in einem Lehrervortrag zu vermitteln. Dabei sollen neben den historischen Inputs weitere wichtige Elemente erarbeitet werden. Um den Zugang in der praktischen Anwendung zu ergänzen, gestaltete ich eine Faktorentabelle, diese soll die Berechnungssituation wie sie auf der auf der Baustelle anzutreffen ist, erleichtern.

Nach dem Theorieteil soll an einem Beispiel modellhaft vorgemacht werden, wie die Berechnungssituation professionell gelöst werden kann. Da die Lernenden erst kürzlich in die berufliche Grundbildung eingetreten sind, entschied ich mich, eine durch mich vorgefertigte Aufgabe vorzugeben. Die Aufgabe soll dabei einen ähnlichen Schwierigkeitsgrad wie die Einstiegsaufgabe im Schritt drei wiederspiegeln und die Situation wie sie in der Praxis anzutreffen ist abbilden. Um die Richtigkeit der Lösung visuell beweisen zu können, habe ich im Vorfeld die zu berechnenden Dreiecke aus Karton hergestellt. Ebenfalls habe ich das schräg verlaufende Rohrstück als Modell im Massstab 1:1 hergestellt. Ich wollte damit garantieren, dass die Berechnungssituation für sämtliche Lernende klar und zugänglich wird.

Im ersten Teil, der Zuordnungsaufgabe, war die ganze Klasse sehr engagiert bei der Sache um diese richtig zu lösen. Es entstanden intensive Diskussionen zu den verschiedenen Dreiecksarten. Durch die detailliert vorbereitete Aufgabe gelang es, das vorhandene Vorwissen zu aktivieren. Die Lösung mit den Kärtchen wurde auf Anhieb und ohne meine Hilfe richtig an der Wandtafel dargestellt. Der zweite Teil wurde lehrerzentriert am Visualizer vorgetragen. Aufgrund der vorangegangenen Schritte stellte sich heraus, dass die Lernenden mit dem Thema vertraut waren. Es entfielen auch einige Fragen, welche üblicherweise bei anderen Klassen in den Vorjahren auftraten. Dadurch konnte der komplette Theorieblock straff und in einem zügigen Tempo vermittelt werden. Durch die lehrerzentrierte Aktivität zeigte sich auch, dass das Interesse der Klasse etwas nachliess. Dies zeigte sich auch in Form einer etwas geringeren Beteiligung am Unterricht. Zusammengefasst war der Theorieteil sehr klar und nachvollziehbar gestaltet. Anhand des Flächenbeweises, konnten die Lernenden die Quadrate zählen und feststellen, dass der Satz des Pythagoras wirklich stimmt. Dieser Teil war zu stark durch Instruktion geprägt, dies meldete mir auch mein Studienkollege zurück. Ich hätte hier die Lernenden aktiver in den Unterricht einbeziehen müssen, dies wäre mit einem Lehrer-Schüler-Gespräch möglich gewesen. Dies hätte aber auch sicher mehr Zeit beansprucht.

Hier im „Theorieteil“ bricht der Lerngegenstand dann doch noch durch! Die Acht Schritte gehen von der Annahme aus, dass es an dieser Stelle nicht mehr nötig ist, irgendetwas „möglichst interessant zu gestalten“. Durch die Arbeit an den vorangegangenen Schritten sollte eigentlich das Interesse der Lernenden geweckt sein, jetzt einfach einmal zuzusehen, wie ein Fachmann die Berechnungssituation bewältigt. Zudem gehen die Acht Schritte als didaktisches Modell für die Berufsbildung davon aus, dass meist gar kein „Theorieteil“ nötig ist. Was an „Theorie“ benötigt wird, haben die Lernenden in den allermeisten Fällen schon mehrfach während der obligatorischen Schulzeit mitbekommen – so wie es sich auch in diesem Fall herausstell, „dass die Lernenden mit dem Thema vertraut waren“. Dass „das Interesse der Klasse etwas nachliess“, ist daher nicht weiter verwunderlich, sondern die typische Reaktion der Lernenden auf einen überflüssigen Unterrichtsteil. Aus Sich der Acht Schritte wäre die Konsequenz hier nicht, die Lernenden aktiver in den Unterricht einzubeziehen, sondern den „Theorieteil“ wegzulassen.

Nach dem Theorieteil ging es an das modellhafte Lösen der Beispielaufgabe. Durch lautes Denken konnte die Aufgabe ohne gröbere Probleme im Plenum gelöst werden. Bei fünf Lernenden, die etwas Mühe bekundeten, war die zusätzliche Hilfestellung mit den angefertigten Kartondreiecken sowie dem Rohrmodell genau die Hilfe, die sie benötigten, um diesen Schritt erfolgreich abschliessen zu können. Für die Lernenden war erfreulich, dass die beim vierten Schritt notierten Punkte des Flipcharts in diesem Teil auftauchten und Thema waren.

Bei einer nächsten Durchführung, würde ich darauf achten, dass ich die Lernenden im fünften Schritt aktiver in den Unterricht miteinbeziehen kann. Weiter würde ich die Beispielaufgabe durch die Lernenden vorgeben lassen, damit werde ich gezwungen, wirklich alle Überlegungsschritte im Unterricht zu machen die für die vollständige Bearbeitung der Aufgabe nötig ist.

2.6 Ãœbungsphase

Da die Lernenden beim Erfinden von eigenen Übungsbeispielen noch wenig bis keine Erfahrung haben, musste ich diesen Punkt unbedingt berücksichtigen. Ich habe deshalb im Vorfeld zwei eigene Übungsbeispiele erfunden und skizziert. Diese kann ich dann im Unterricht am Visualizer vorstellen, damit möchte ich die anschliessende Aufgabenproduktion in den Gruppen in Schwung bringen und Sicherheit vermitteln. Für die weitere Bearbeitungsphase habe ich einen Auftrag formuliert. Dieser soll möglichst klar und verständlich sein, damit die Gruppen in Ruhe arbeiten können.

Durch die klare Einführung meiner beiden Beispiele und dem formulierten Auftrag kamen insgesamt sieben Übungsbeispiele in den Gruppen zusammen. Ich war überrascht, mit welchem Eifer die Lernenden die Übungsaufgaben erfanden und skizzierten. Die ersten drei Übungsbeispiele wurden zusammen im Plenum gelöst. Die restlichen Aufgaben wurden in den verschiedenen Gruppen gelöst. Es war erfreulich zu sehen, wie engagiert die einzelnen Gruppen die Übungsbeispiele lösten. Es entstand eine wettkampfähnliche Stimmung unter den Gruppen. Die Identifikation war spürbar höher als bei reinen Lehreraufgaben.

2.7 Spickzettel

Wie beim sechsten Schritt musste ich davon ausgehen, dass die Lernenden wenig Erfahrung beim Gestalten eines Spickzettels mitbringen. Für mich war deshalb klar, dass ich den Lernenden beim Zusammentragen der wichtigen Daten und Grössen behilflich sein muss. Ich entschied mich bei diesem Schritt ebenfalls dafür, einen schriftlichen Auftrag für die Lernenden zu verfassen.

Die Endergebnisse der Spickzettel waren für einen ersten Durchlauf grösstenteils erfreulich. Es gab jedoch auch eine Handvoll Lernende, welche sich weniger Mühe gaben, dies widerspiegelte sich auch in der inhaltlichen Qualität dieser Spickzettel. Bei einem nächsten Durchlauf würde ich ein eigenes Musterbeispiel gestalten, das ich den Lernenden im Unterricht vorstellen kann.

Die Spickzettel sind als persönliche Instrumente für die Lernenden gedacht, welche dann im Schritt 8 zum Einsatz kommen. Was ihnen dient, müssen sie selbst entscheiden. Ein Musterbeispiel, das dann irgendwie kopiert werden muss, würde dieser Idee widersprechen. Es ist durchaus denkbar, dass diejenigen Lernenden, „welche sich weniger Mühe gaben“, keinen ausführlichen Spickzettel mehr benötigen. Ob sie mit dieser Einschätzung richtig liegen, erleben sie dann im Schritt 8. Nur über diese Erfahrung können sie mit der Zeit lernen, selbst einzuschätzen, was sie brauchen.

2.8 Gebrauch im Betrieb diskutieren

Ich habe diesen letzten Schritt bewusst drei Wochen später eingeplant. Die Lernen-den sollen während dieser Zeit die Möglichkeit erhalten eine konkrete Berechnungssituation in der Praxis anzuwenden. Ich gab den Lernenden den Auftrag, die nächste Berechnungssituation mit einer schräg verlaufenden Leitung in der Praxis schriftlich zu dokumentieren und mit Fotos festzuhalten. Die Lernenden sollen sich handgeschriebene Notizen machen, wo Probleme oder Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung aufgetaucht sind. Weiter soll in der Anwendung auch der eigene Spickzettel kritisch hinterfragt werden.

Anlässlich des Unterrichts diskutierten wir knapp 1,5 Lektionen über zwei unterschiedliche Erfahrungen von Lernenden. Es stellte sich dabei heraus, dass verschiedene Probleme und Schwierigkeiten in der praktischen Anwendung aufgetreten waren. Ein Lernender berichtete von einer Leitung, die er mit 22° Abweichung berechnen musste. Da er jedoch auf seinem Spickzettel keinen Faktor für diesen Winkel hatte, konnte er die Aufgabe nur dank der Hilfe des Chefmonteurs lösen. Ich habe dem Lernenden den Vorschlag unterbreitet, dass wir uns in einer späteren Unterrichtseinheit mit den trigonometrischen Funktionen beschäftigen. Denn mit diesen ist es möglich, die unterschiedlichsten Winkel und damit schräge beliebiger Ausrichtung Leitungen zu berechnen. Ein weiterer Lernender berichtete von bestehenden Wänden, welche in einem Umbau schräg verliefen. Diese schräg verlaufenden Wände brachten den Lernenden aus dem Konzept und er konnte seinen Spickzettel nicht mehr sinnvoll einsetzen. Wir haben diese Situation im Unterricht detailliert besprochen und geklärt. Es zeigte sich an dieser Stelle deutlich, dass die Anwendung von in der Schule Gelerntem in einer praktischen Situation nicht immer gelingt. Aus diesem Grund ist dieser letzte Schritt zum zukünftigen handlungswirksamen Wissen sehr wichtig, kann aber auch viel Zeit beanspruchen.

3     Fazit

Die schulische Ausbildung führt leider oft zu trägem Wissen. Damit dies nicht geschieht, muss ich den Unterricht stärker auf den gemachten Erfahrungen der Lernenden aufbauen, sonst ist ein erfolgreicher Lernprozess fraglich. Das 8-Schritte Modell ist dafür ein ideales Instrument. Ich muss die Lernenden dazu bringen, Ihre in den Situationen gemachten Erfahrungen mit dem deklarativen Wissen zu verbinden und mögliche Unklarheiten zu beseitigen.

Durch die konkrete Umsetzung des 8-Schritte Modells habe ich aufgezeigt, wie das an unserer Schule im Bereich von den Gebäudetechnikberufen aussehen kann. Für spätere Berechnungssituationen werde ich dieses Unterrichtsmodell sicher wieder einsetzen. Ich stellte bei der Durchführung aber auch fest, dass dieses Modell etwa doppelt so viel Zeit beansprucht wie das bisherige Unterrichtssetting. Die zusätzlich investierte Zeit hatte sich aber ausgezahlt. Dies beweist die Lernkontrolle, welche ich ca. einen Monat später durchgeführt habe. Die Klasse hatte gegenüber Vorgängerklassen einen um etwa 0,3 höheren Notenschnitt, was ich auf die Durchführung des 8-Schritte Modells zurückführe. Diese Tatsache freut mich sehr und beweist, dass sich der Mehraufwand für dieses Unterrichtsmodell gelohnt hat. Ich könnte mir vorstellen, dieses Unterrichtsmodell in einer verkürzten Form durchzuführen. Dabei stellen sich verschiedene Fragen. Welche(n) Schritt(e) kann ich kürzen ohne die Lernprozesse negativ zu beeinträchtigen? Wie setze ich dies im Unterricht um? Diese Fragen kann ich zum momentanen Zeitpunkt noch nicht beantworten.

Dazu lassen sich drei Dinge sagen:

  • Wie angemerkt kann der „Theorieteil“ wegfallen. Das sind doch etwa 20 Minuten im etwa 4 Stunden dauernden Ablauf.
  • Eine erste Durchführung braucht immer mehr Zeit, als wenn sich das Vorgehen für Lehrende und Lernende schon eingespielt hat. Es ist also schwierig, schon nach einer ersten Durchführung abzuschätzen, wie viel Zeit tatsächlich benötigt wird.
  • Und ja, wenn man die Lernenden wirklich befähigen will, mit realen Situationen im Betrieb umgehen zu können, dann braucht das typischerweise tatsächlich mehr Zeit, als wenn man anhand von ein paar Trockenübungen träges Wissen produziert!

4 Wahl des mathematischen Werkzeugs

Abschliessend noch eine grundsätzliche Überlegung zum Pythagoras als mathematisches Werkzeug in dieser Situation: Eigentlich ist der Satz des Pythagoras hier nicht wirklich nützlich. Mit einigen Geometriekenntnissen kann man zwar für die Spezialfälle von 30°, 45° und 60° tatsächlich die Seitenverhältnisse ableiten. Dazu muss man aber wissen (bzw. herleiten können), dass in einem Dreieck mit 90°, 45° und 45° die beiden kürzeren Seiten gleich lang sind und dass in einem Dreieck mit 90°, 60° und 30° die kürzeste Seite halb so lang ist wie die längste – ziemlich viel Elementargeometrie für drei Spezialfälle, welche offenbar nicht alle praktisch vorkommenden Varianten abdecken, wie sich in Schritt 8 zeigt.

Eine andere Möglichkeit eine nützliche Tabelle von Faktoren bzw. einen nützlichen Spickzettel zu erstellen, würde darin bestehen, Beispiele für Dreiecke mit den gewünschten Winkeln möglichst genau aufzuzeichnen, die Seitenlängen zu messen und dann die Verhältnisse zu berechnen. Auf diese Art können die Lernenden jederzeit ihre Spickzettel mit Einträgen für weitere Winkel ergänzen. Und selbstverständlich kann man sie dann auch noch darauf aufmerksam machen, dass freundliche Leute dies im 19. Jahrhundert schon für alle möglichen Winkel gemacht haben und dass man die entsprechende Tabelle unter Sinus und Cosinus auf dem Taschenrechner findet.

Es ist übrigens nicht untypisch, dass gerade Schritt 8 eine Rückmeldung dazu liefert, ob man in Schritt 5 wirklich ein Vorgehen gewählt hat, welches sich im praktischen Alltag als nützlich erweist. Es ist deshalb wichtig, sich nach jeder Durchführung der Acht Schritte genau diese Frage zu stellen und allenfalls für die nächste Durchführung Anpassungen vorzunehmen. Geht man im Verlauf der Acht Schritte wirklich von einer Berechnungssituation aus und kehrt wieder zu dieser zurück, dann lernen nicht nur die Lernenden, sondern dann lernt meist auch die Lehrperson mit jeder Durchführung etwas dazu.

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